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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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dass sein Kopf beinahe darin verschwand. Sein Blick war starr, glasig. Jenni hatte ihn selten so konzentriert gesehen. Seine Nasenspitze berührte den Knochen beinahe. Wenn man genau hinschaute, sah man eine leere Augenhöhle, die nach oben starrte, geradewegs in Miros Gesicht.
    Der Mund des Jungen stand nicht still. Die kleinen Lippen bewegten sich rastlos.
    Jenni zwang ihre rechte Hand, sich vom Lenkrad zu lösen und fasste nach der Tasche. Miro schrie und wehrte sich, seine schrille Stimme füllte den Wagen. Ein langer gellender Ton, wie von einer Trillerpfeife, der Jenni veranlasste, noch wütender an der Tasche zu zerren. Miro musste loslassen, doch er schrie weiter, während er sich im Sicherheitsgurt wand und versuchte, die Tasche wieder in seinen Besitz zu bringen.
    Jenni stieß die Tür auf. Die Luft, die in ihre Lunge strömte, roch nach Meer und Metall. In dem Landroverneben ihrem Wagen drehten sich Köpfe zu ihr hin. Das Wasser, das an den Scheiben herunterlief, machte die Gesichter unkenntlich. Es waren nur hautfarbene Flecken, deren Starren Jenni deutlich spürte. Sie warf die Tür zu und ging an die Reling.
    Die Wellen schäumten. Das Ufer war nicht zu sehen. Nur endloses Grau, der Nebel des strengen Gottes.
    Jenni schloss die Tasche sorgfältig und warf sie so weit hinaus, wie sie nur konnte. Die Vögel, die der Fähre folgten, wichen instinktiv aus, obwohl sie weit weg waren. Dann setzten sie ihren Kampf gegen Wind und Regen fort. Die Tasche schaukelte auf den Wellen, drehte sich in der Gischt. Jenni umklammerte die kalte Reling und wartete. Miros Geschrei drang gedämpft an ihre Ohren.
    Eine Weile schien es, als würde die Tasche nicht untergehen, sondern in alle Ewigkeit von einer Woge zur anderen hüpfen. Dann wurde die Bewegung langsamer. Jenni hielt den Atem an. Die Tasche legte sich schräg und begann zu sinken. Erst als Jenni sicher war, dass sie nicht mehr hochkommen würde, ließ sie die Reling los.
    Miro hatte unterdessen aufgehört zu schreien. Er lehnte sich ans Fenster und klagte mit dünner verzweifelter Stimme. Jenni streichelte seinen Kopf, bis die Fähre ruckelte und die Rampe gesenkt wurde. Dann ließ sie den Motor an. Die Scheibenwischer fuhren hin und her, die Sicht wurde klar.
    Als sie die Landstraße erreichten, blickte Miro zum Seitenfenster hinaus, das von seinem Atem beschlagen war, betrachtete die vorbeihuschende Landschaft und dachte an den Schädel in der Tasche. An die Augenhöhlen und Vertiefungen. An das Gequassel, das unter Wasser weiter ertönte, für immer.»Mutti«, sagte Miro.
    Sie waren gerade in einen langen Tunnel gefahren, an den sich Jenni von der Hinfahrt erinnerte. Das Motorengeräusch hallte von den Wänden wider. Die Scheinwerfer beleuchteten nur die Wand des in weiter Kurve nach links schwenkenden Tunnels.
    »Ja?«, fragte Jenni.
    Sie blickte nach vorn und sah nur die Betonwand. Es kam ihr vor, als wären sie in kilometerweiter Tiefe, unter dem Meer. Die anderen Wagen von der Fähre waren weit zurückgeblieben. Jenni beschleunigte das Tempo noch mehr, denn sie fürchtete, der Tunnel würde nie enden.
    »Du kommst vielleicht in die Hölle«, sagte Miro.
    Jenni gab ihm keine Antwort, fuhr ihm nicht über den Mund. Sie starrte auf den hellen Punkt, der endlich vor ihnen aufgetaucht war. Er wuchs. Als der Tunnel endete, schlug der Regen an die Windschutzscheibe, und das Auto füllte sich mit grauem Glanz.
    Jenni legte eine Hand auf Miros Kopf und betrachtete die vom Regen verhüllte Straße. Den kleinen Streifen, den man im Voraus sehen konnte.

W enn die letzte Finsternis aufzieht, bekämpfe sie nicht.
    In der völligen Dunkelheit konzentrierte sich Markus auf diese Worte. Die Dunkelheit war nicht länger nur ein Mangel an Licht. Die Zeit verwandelte sich in einen Kreis, drehte sich um sich selbst, bis sie verschwand. Nichts maß die Finsternis. Markus hörte das Wasser unter den Dielenbrettern plätschern, hörte die Schreie der Möwen, doch sie waren unregelmäßig, unberechenbar. Deshalb zählte er die Körner.
    Eins, zwei, drei.
    Er zählte, bis die Geräusche und die Erinnerungsbilder seine Konzentration störten, und begann dann wieder von vorn. Nicht ein einziges Mal schaffte er es bis zum Schluss. Markus fand nie heraus, wie viele Körner er bei sich hatte. Die Körner maßen nichts mehr. Wie sie auf die Handfläche fielen, war ebenso zufällig wie alles andere. Das machte die Dunkelheit schwer erträglich. Schließlich öffnete Markus die Hand und

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