Schattenkampf
den Irak geliefert.«
»Wissen Sie, ob sie an Mister Schollers Zug geliefert wurden?«
»Nein.«
»Heißt nein, Sie wissen es nicht, oder sie wurden nicht an ihn geliefert?«
»Sie wurden als Teil einer größeren Lieferung an Allstrong Security im Irak geliefert.«
»Gibt es irgendwelche Beweise, dass Mister Scholler sich jemals im Besitz dieser Granaten befand oder sie, auf welchem Weg auch immer, in die Vereinigten Staaten zurückgeschickt hat?«
»Nein.«
»Special Agent Riggio, haben Sie Zeugen, die bestätigen können, diese Granaten zu irgendeinem Zeitpunkt in Mister Schollers Besitz gesehen zu haben?«
»Nein.«
Obwohl er auf die letzten Fragen die richtigen Antworten erhalten hatte, wusste Washburn, es war nicht viel. Aber wahrscheinlich war es alles, was er herausholen konnte. Er lächelte die Zeugin an. »Danke. Keine weiteren Fragen.«
26
Am Dienstagnachmittag hatte das Wetter umgeschlagen. Ein heftiges, für die Jahreszeit frühes Unwetter hatte Bäume entwurzelt, viele der tiefer gelegenen Straßen im Umkreis des Gerichtsgebäudes überschwemmt und den morgendlichen Berufsverkehr so stark beeinträchtigt, dass die Gerichtsverhandlung erst kurz vor elf Uhr beginnen konnte, um darauf fast umgehend für eine frühe Mittagspause vertagt zu werden.
In den zwei Tagen davor hatte Washburn nicht viel zu den Zeugen zu sagen gehabt, die Mills aufgerufen hatte. Der zweite FBI-Agent, Jacob Freed, machte mehr oder weniger die gleiche Aussage wie seine Partnerin, Marcia Riggio. Washburn hackte wieder ein wenig auf der Herkunft der Splittergranaten herum sowie auf der Tatsache, dass die Nachforschungen über Vergangenheit und Motive möglicher anderer Verdächtiger in den Morden an den Khalils und Nolan eingestellt worden waren, sobald Scholler zum Hauptverdächtigen erklärt worden war. Ihm war jedoch klar, dass er der Anklage wenig, wenn überhaupt einen Schaden zugefügt hatte. Tatsache war, so ungern Washburn es zugab, dass FBI und Spinoza ihre Ermittlungen sehr gut koordiniert und eine Beweiskette
erstellt hatten, die verdammt zwingend war. Am Schluss wollte Washburn Agent Freed nur noch möglichst schnell loswerden, obwohl er ihn noch den längeren Teil eines halben Tages im Zeugenstand festnagelte.
Dann war David Saldar, der Schlosser, an der Reihe und machte, bisher der mit Abstand nervöseste und verlegenste Zeuge, eine Aussage ohne Überraschungen. Er äußerte sich nur zu einem einzigen und noch dazu unanfechtbaren Punkt - Evan Scholler hatte genau das getan, was Saldar sagte, dass er getan hatte. Er hatte einen Freund belogen, er hatte sich mit der Polizeiuniform zu mehr Glaubwürdigkeit verholfen, er hatte sich Zutritt zu einer Wohnung verschafft, die nicht die seine war. Es war nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Verteidigung, aber es gab nichts, was Washburn dagegen tun konnte.
Mills’ letzte Zeugin, deren Befragung fast den ganzen vorangegangenen Tag - den Montag - in Anspruch genommen hatte, war Tara. Obwohl sie den Geschworenen in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben hatte, dass sie eine Beziehung mit Evan hatte, hatte sie nicht nur bestätigt, dass Nolan ihr erzählt hatte, er sei wegen Evans Einbruch besorgt und beunruhigt, sondern auch das entscheidende Detail zu Protokoll gegeben, dass Evan im Old Town Traven ganz unverhohlen damit gedroht hatte, Nolan umzubringen.
Weil sie von einer Frau kam, die dem Angeklagten nur zu offensichtlich nicht schaden wollte, schien Taras Aussage bei den Geschworenen einen besonders tiefen Eindruck zu hinterlassen. Und Washburn fiel beim besten Willen nichts ein, was er sie im Kreuzverhör hätte fragen können - dass sie Nolans Behauptung, Evan könnte ihm die Waffen untergeschoben haben, nicht geglaubt hatte? Dass Evan es nicht ernst
gemeint hatte, als er sagte, er würde seinen Nebenbuhler umbringen? Keine dieser Meinungen wäre zulässig, weil das alles war, was sie waren - die Meinungen einer Frau, bei der die Geschworenen den Eindruck hatten, dass sie bestimmt die Unwahrheit sagen würde, wenn eine Lüge sich positiv auf die Verteidigung ihres Partners auswirkte.
Danach hatte die Anklage ihre Darlegung des Falls für abgeschlossen erklärt, und nun erhielt Washburn Gelegenheit, eine affirmative Verteidigung vorzutragen. Aber nachdem sein Mandant nicht einmal leugnen konnte, dass er die Tat begangen hatte, nachdem er keinen anderen Verdächtigen vorweisen konnte und nachdem sowohl Motiv als auch Gelegenheit auf geradezu erdrückende Weise
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