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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Kriegsgebiet auf eine Goldader gestoßen. Folglich stürzte sie sich sofort wieder auf diesen Punkt, sobald sie vor dem Zeugen stand.
    »Mister Onofrio, haben Sie persönlich mitbekommen, dass der Angeklagte im Irak Alkohol trank?«
    Doch diesmal war Washburn darauf vorbereitet. »Einspruch. Irrelevant.«
    »Stattgegeben.«
    Mills wollte ihre Frage bereits wiederholen, um es dann aber, wenn auch sichtlich erstaunt, doch nicht zu tun. »Mit allem Respekt, Euer Ehren, einen ganz ähnlichen Einspruch hat Mister Washburn bei der Vorverhandlung erhoben, und damals haben Sie ihm nicht stattgegeben.«
    Tollson nahm die Brille ab und beugte sich über die Richterbank. »Richtig, Counsellor. Zum damaligen Zeitpunkt war die Frage nach dem Alkoholkonsum des Angeklagten für die zur Verhandlung stehenden Fragen relevant. Aber solange Sie mir nicht zeigen können, dass die Frage, ob der Angeklagte im Irak Alkohol konsumiert hat oder nicht, Mister Onofrios Aussage in irgendeiner Weise anficht oder in direktem Zusammenhang mit der Straftat steht, deren der Angeklagte beschuldigt wird, werde ich sie nicht zulassen. Sie ist, wie Mister Washburn angeführt hat, irrelevant.«
    Mills stand kurz perplex da, dann ging sie zu ihrem Tisch. Sie zog ihren Ordner zurate, blätterte darin ein paar Seiten
weiter und blickte wieder auf. »Na gut.« Fest entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie auf dem falschen Fuß erwischt worden war, lächelte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Danke, Euer Ehren. Dann werde ich das zurückstellen und später noch einmal darauf zurückkommen.«

    Auch wenn ihm der Rückgriff auf die posttraumatische Belastungsstörung verwehrt worden war, setzte Washburn seine Hoffnungen nach wie vor auf eine medizinisch fundierte Verteidigungsstrategie. Wenn ihm die Geschworenen nicht abnahmen, dass Evan einen intensiven und langen Blackout erlitten hatte, blieb ihm keine andere Verteidigungsmöglichkeit mehr, als zu lügen. Aus diesem Grund hatte sich Washburn am vergangenen Wochenende mehrere Stunden lang ausführlich mit der Aussage seines nächsten Zeugen befasst. Er konnte nur hoffen, dass sie für seine Zwecke ausreichen würde.
    »Doctor Bromley«, begann er. »Was ist Ihr medizinisches Fachgebiet?«
    »Ich bin Neurologe am Stanford Medical Center und am Palo Alto Veterans Center.«
    »Sie sind also Nervenarzt?«
    Bromley war Mitte fünfzig, sah aber zehn Jahre jünger aus. Er war tadellos gekleidet, und strahlte mit einem energischen Kinn und markanter Nase, unergründlichen Augen und einem kurzen gepflegten Afro unerschütterliches Selbstvertrauen aus. Er gestattete sich den Anflug eines Lächelns, als er mit einem leichten Nicken antwortete: »Das ist der gängige Laienbegriff.«
    »Herr Doktor, kannten Sie Mister Scholler vor seiner Festnahme?«

    »Ja. Er war nach seiner Entlassung aus dem Walter Reed am Veterans Center mein Patient.«
    »Wie war sein Zustand Ihrer Einschätzung nach im Walter Reed?«
    »Als er dort im September vergangenen Jahres eingeliefert wurde, war er infolge der im Irak erlittenen Verletzungen immer noch nicht bei Bewusstsein. Es war bereits einer Kraniektomie unterzogen worden - bei diesem Eingriff wird ein Teil der Schädelplatte entfernt, um für das Gehirn Platz zum Anschwellen zu schaffen -, und sein Zustand war extrem kritisch. Nach Auffassung der Ärzte waren seine Überlebenschancen sehr gering. Auch die Chancen, dass er, falls er überlebte, keine massiven bleibenden Hirnschädigungen davontragen würde, schätzten sie sehr gering ein.«
    Washburn entging nicht, dass einige Geschworene bei dieser sachlich brutalen Darstellung des Sachverhalts merklich zusammenzuckten. Er stellte die nächste Frage. »Und als Sie ihn hier in Kalifornien zum ersten Mal zu sehen bekamen? Wann war das übrigens?«
    »Mitte März, neun Monate nach seiner Verwundung. Seine rasche Genesung grenzte, ehrlich gestanden, an ein Wunder.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »In fast jeder Hinsicht. Obwohl erst drei Monate zuvor die Platte in seinem Schädel ersetzt worden war, befand sich sein Sprechvermögen schon fast wieder auf normalem Status. Er litt noch an kurzen Gedächtnislücken, und ab und zu fielen ihm bestimmte Wörter nicht ein, aber auch in diesen Bereichen schien sich sein Zustand von Untersuchung zu Untersuchung zu bessern. Sein körperliches Koordinationsvermögen war so weit wiederhergestellt, dass ich ohne Bedenken
seine Wiedereinstellung in den Polizeidienst empfahl, solange seine

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