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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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traurigen Einschlag. »Nicht alle Männer lassen ihre Frauen sitzen«, sagte Felice. »Beide Großväter der Kinder sind zum Beispiel nach wie vor mit ihren Großmüttern verheiratet. Auch so etwas soll es also geben. Im Übrigen ist das in unseren Familien, in Johns und in meiner, sozusagen Tradition.« Sie strich sich das Haar aus der Stirn, schlug den Block in ihrem Schoß auf, ließ ihren Kugelschreiber ein paarmal schnalzen und sah auf die Uhr. »Wie wär’s, wenn Sie mir jetzt Ihr Schlussplädoyer vorführten?«
    Von der Zeit überrumpelt riss Mills erschrocken die Augen auf und hopste von ihrem Schreibtisch. »Du lieber Himmel, schon halb neun? Wir müssen zumachen …«
    Felice hob die Hand. »Sie müssen nichts weiter tun, MP, als in aller Ruhe Ihre Geschichte zu erzählen. Das ist alles, was Sie tun müssen. Schön langsam und ganz unaufgeregt.«

    »Ja, da haben Sie Recht.« Mills blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Da haben Sie völlig Recht.«
    »Natürlich habe ich das.« Sie klickte erneut mit dem Kugelschreiber. »Dann mal los.«

    »Meine Damen und Herren Geschworenen.« Die Notizen, die Mills in ihrer Hand hielt, dienten ihr mehr als Requisit denn als Gedächtnisstütze, denn sie wusste sehr genau, was sie sagen wollte. »Zu Beginn dieses Prozesses habe ich Ihnen erklärt, die Beweise würden Ihnen über jeden berechtigten Zweifel hinaus zeigen, dass der Angeklagte Ron Nolan mit Vorsatz und in böswilliger Absicht getötet hat. Ich möchte jetzt ein paar letzte Minuten Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, um über die Gesetzeslage zu sprechen und zu erklären, weshalb die Beweise genau das getan haben.«
    In den nächsten fünfundvierzig Minuten konzentrierte sie sich auf die wesentlichen Punkte, die gegeben sein mussten, um von Mord sprechen zu können. Diese Ausführungen sollten den Geschworenen helfen, sich in den wortreichen und manchmal unverständlichen Anweisungen zurechtzufinden, die ihnen der Richter am Ende der Verhandlung erteilen würde. Dann kam sie zum Kernpunkt Ihrer Beweisführung.
    »Bisher habe ich Ihnen also erklärt, was Mord ist. Wir haben uns damit befasst, wie das Gesetz Vorsatz definiert, und ich hoffe, meine Erklärungen haben Ihnen zu verstehen geholfen, was genau das Recht als erwiesen gezeigt bekommen möchte, bevor der Angeklagte schuldig gesprochen werden kann. Jetzt möchte ich mit Ihnen über die Beweise, die Besonderheiten der Zeugenaussagen in diesem Fall, die Beweisstücke und die Rückschlüsse sprechen, die anhand der Zeugenaussagen und der Beweisstücke zu ziehen sind, denn aus all
dem geht hervor, dass auf das Vorgehen des Angeklagten der Tatbestand eines Mordes ersten Grades zutrifft.
    Und was sind das nun für Beweise? Erstens, Mister Nolan und der Angeklagte waren Nebenbuhler um die Gunst derselben Frau, Tara Wheatley. Die Verteidigung möchte Sie glauben machen, dass sich Miss Wheatley am Abend des Angriffs des Angeklagten auf Mister Nolan - den jener übrigens freimütig zugibt - nach einer sechsmonatigen Beziehung mit Mister Nolan plötzlich dazu entschied, sich wieder dem Angeklagten zuzuwenden, und dass der Angeklagte wegen dieses Gesinnungswandels kein Motiv mehr hatte, Mister Nolan zu töten. Ich weise Sie darauf hin, dass dies schlicht und einfach unwahr ist.«
    »Augenblick«, unterbrach Felice sie. »›Unwahr‹ hört sich nicht gut an. Zu abgehoben. Warum nicht: ›Finden Sie das einleuchtend?‹«
    Mills nickte. »Ja, besser.« Sie machte sich eine Notiz, dann begann sie, wieder auf und ab zu gehen, und fuhr mit ihrem Plädoyer fort. »Die Verteidigung will Ihnen weismachen, dass ein Mann, der seine Freundin an einen anderen Mann verloren hat, der glaubt, dass dieser Mann ihn belogen und betrogen und hintergangen hat, der weiß, dass dieser Mann eine intime Beziehung mit der Freundin des Angeklagten hatte, während er im Krankenhaus lag, dass für diesen Mann von dem Moment alles wieder in bester Ordnung ist, von dem an ihm besagte Freundin sagt, sie beabsichtige, zu ihm zurückzukehren. Keine Verbitterung. Keine Animositäten. Kein Hass. Das ist, was Ihnen die Verteidigung weismachen will. Ich hoffe, Sie nehmen ihr das nicht ab.
    Zuallererst, weil Ihnen Ihr gesunder Menschenverstand sagt, dass das Unsinn ist. Blutfehden enden nicht von einer
Minute auf die andere. Lang geschürter Hass erlischt nicht über Nacht, und dem Angeklagten muss klar gewesen sein, dass es sich Miss Wheatley, die es sich bereits einmal anders überlegt hatte,

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