Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
Vom Netzwerk:
seinem eigenen Zeugen vorgetragen bekommen haben, stützen seine Aussage nicht.
    In Ermangelung absoluter Gewissheit sehen wir uns also vor die Frage gestellt, was ist die plausibelste Erklärung für die erwiesenen Tatsachen. Ist es einleuchtender anzunehmen,
dass der Angeklagte seine Schlägerei mit Mister Nolan abbrach und dann, betrunken und mit einer Gehirnerschütterung, in seine Wohnung fuhr, wo er die nächsten zwei Tage weitertrank, während eine unbekannte dritte Partei aus irgendeinem unerfindlichen Grund …«
    »Vielleicht ›unerklärlich‹.«
    »… aus einem unerklärlichen Grund in Mister Nolans Haus eindrang, mit einem Schürhaken auf ihn einschlug und ihn dann erschoss?
    Oder ist es plausibler, anzunehmen, dass der mit einem Schlagring bewaffnete Angeklagte Mister Nolan bei dem Kampf besiegte und ihm daraufhin mit einer Handfeuerwaffe, die er am Tatort fand, in den Kopf schoss. Dann erst, meine Damen und Herren, nachdem er Mister Nolan kaltblütig ermordet hatte, erst dann fuhr er nach Hause und betrank sich dort bis zur Besinnungslosigkeit.« Mills hielt inne, sah Felice an und schüttelte den Kopf. »Ich hasse diesen Kerl.«
    »Man merkt es Ihnen aber nicht an«, versicherte ihr ihre Sekretärin. »Es kommt alles sehr neutral und objektiv rüber. Ich nehme es Ihnen total ab.«
    »Nicht zu kurz?«
    »Für mich nicht.«
    Mills sah auf die Wanduhr. »Es wird langsam Zeit. Stellen Sie sich vor, ich sollte es tatsächlich schaffen, gegen Washburn zu gewinnen.«
    »Immer mit der Ruhe. Alles zu seiner Zeit.« Felice stand auf und umarmte ihre Chefin kurz. »Sind Sie bereit?«
    »Mehr denn je.«
    »Gut«, sagte Felice. »Dann zeigen Sie es ihnen.«

29
    Am späten Freitagnachmittag knisterte die Luft im Geschworenenzimmer vor Anspannung. Ryan Cannoe, der Sprecher der Jury, hatte gerade den fünfzehnten Wahlgang ausgezählt, und das Stimmenverhältnis stand inzwischen - nach ursprünglichen acht zu vier - jetzt elf zu eins zugunsten eines Schuldspruchs.
    »Maggie«, sagte Cannoe zu Mrs. Ellersby, »wir haben noch einmal fünfundvierzig Minuten Zeit, und dann werden wir nach einem sehr langen Wochenende zurückkommen müssen. Damit versuche ich nicht, Sie zu zwingen, eine andere Stimme abzugeben, aber wenn Sie sicher sind, dass Sie sich nicht umstimmen lassen und auch nie umstimmen lassen werden, sollten wir vielleicht bekanntgeben, dass wir nicht zu einer einstimmigen Entscheidung gelangen konnten, und es dabei belassen.«
    Das zog seitens verschiedener anderer Geschworener einiges Schimpfen nach sich. »Nach der vielen Zeit, die wir hier investiert haben!« »Kommt überhaupt nicht infrage!« »So ein Quatsch!« »Der Kerl ist schuldig, und wir alle wissen es.«
    »Vielleicht wissen wir es nicht alle«, erwiderte Ellersby. Dieser Tag - die ganze Zeit als Geschworene - war eine harte Prüfung für sie gewesen, vor allem seit diesem Morgen, als die zwei letzten Abtrünnigen auf die andere Seite übergelaufen waren, so dass sie als Einzige für einen Freispruch stimmte.
    »Das ist also Ihre endgültige Entscheidung, Maggie?«, fragte Cannoe wieder. »Sie glauben wirklich nicht, dass er es war?«
    »So würde ich es nicht ausdrücken«, sagte sie. »Ich glaube,
dass er es, wie ich schon die ganze Zeit gesagt habe, durchaus getan haben könnte. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es ein Mord ersten Grades war. Wenn er Nolan nur verprügeln wollte und ihn dann versehentlich umbrachte, wäre es nur zweiten Grades.«
    Cannoe verlor die Geduld nicht. »Nur dass er nicht an den Schlägen gestorben ist.«
    »Ja, ich weiß. Dann geriet alles außer Kontrolle.«
    Geschworene Nummer Zwei, Sue Whitson, eine Frau in Ellersbys Alter, die ursprünglich ebenfalls für einen Freispruch gestimmt hatte, schaltete sich in die Diskussion ein. »Maggie, ich würde Ihnen ja zustimmen, außer dass er dem Mann am Ende die Pistole an den Kopf gedrückt und ihn erschossen hat. Wie wollen Sie sich das erklären, wenn nicht so, dass Mister Scholler irgendwann beschlossen hat, ihn umzubringen? Und das ist Mord ersten Grades.«
    »Die Sache ist doch die«, fügte Cannoe hinzu. »Sie glauben, dass Scholler es getan hat. Jetzt mal unabhängig von allen juristischen Spitzfindigkeiten. Er hat abgedrückt, oder?«
    Ellersby seufzte und hauchte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es nicht getan hat, aber ich weiß nicht, ob sie wirklich bewiesen haben, dass er es getan hat.«
    »Es geht hier nicht um den hundertprozentigen Beweis,

Weitere Kostenlose Bücher