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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Maggie«, sagte Sue. »Es geht um den über jeden berechtigten Zweifel erhabenen Beweis. Und den haben sie erbracht.«
    »Sie haben es doch gerade selbst zugegeben«, sagte Cannoe. »Eben haben Sie gesagt, Sie können sich nicht vorstellen, dass er es nicht getan hat.«
    »Ich weiß.«
    »Na dann …«
    »Trotzdem, ich muss immer wieder an das denken, was
Mister Washburn in seinem Schlussplädoyer gesagt hat. Dass sie mit einer ganzen Reihe anderer Verteidigungsstrategien hätten ankommen können, die einleuchtender gewesen wären. Notwehr zum Beispiel oder Verlust der Selbstbeherrschung oder dass er auch einfach hätte sagen können, nein, ich habe es nicht getan. Aber stattdessen haben sie sich an die Wahrheit gehalten, die, wie er selbst zugegeben hat, möglicherweise schwerer zu glauben ist …«
    Sue Whitson legte Maggie Ellersby die Hand auf den Arm. Sie sprach mit überraschender Sanftheit. »Weil es ja vielleicht auch gar nicht wahr ist, Maggie. Vielleicht hat Washburn nur auf unsere Gutgläubigkeit gesetzt; vielleicht hat er darauf spekuliert, dass wir glauben möchten, dass dieser junge Mann, Evan, der im Irak so Schreckliches durchgemacht hat, dass irgendwie seine Verletzungen schuld daran sind, dass er nicht sagen kann, dass er Nolan nicht umgebracht hat. Hätten Sie denn, wenn diese ganze Irakgeschichte nicht wäre, den leisesten Zweifel, dass er es getan hat? Hätte seine Darstellung dann irgendeinen Sinn ergeben? Das ist, was mir schließlich klargeworden ist. Es ergibt einfach keinen. Ich wünsche mir, es wäre so, aber es ist nicht so.«
    »Er fuhr zu ihm, um ihn zu verprügeln«, sagte Cannoe. »Und dann blieb er, um ihn umzubringen. Wenn das nicht ist, was Sie sehen, Maggie, und wenn Sie glauben, dass Sie es nie anders werden sehen können, rufe ich jetzt den Gerichtsdiener und sage ihm, dass wir zu keiner einstimmigen Entscheidung kommen können. Möchten Sie, dass ich das tue?«
    Ellersby sah ihre allesamt intelligenten und gutwilligen Mitbürger der Reihe nach an. Keiner von ihnen kaltblütig, keiner von ihnen rachsüchtig. Jeder von ihnen hatte fast einen Monat seines Lebens geopfert, um sich für die Gerechtigkeit
und das Rechtssystem zu engagieren. Und was sie selbst anging, war ihr durchaus bewusst, dass sie sich vollkommen irrational von Washburns simplem Argument im Schlussplädoyer hatte beeinflussen lassen, dass er zu clever und erfahren sei, um jemals eine derart lächerliche Rechtfertigung wie Evan Schollers »Ich kann mich nicht erinnern« zum Kernstück seiner Verteidigungsstrategie zu machen, wenn es nicht die Wahrheit wäre.
    Nur deshalb hatten sie auf diese Verteidigungsstrategie zurückgegriffen. Weil es die Wahrheit war.
    Und Maggie Ellersby konnte sich sehr gut vorstellen, wie Evan Scholler völlig weggetreten in seiner Wohnung saß, nicht wegen des vielen Alkohols, sondern infolge seiner Hirnverletzung - nicht in einem Blackout, sondern in einem Zustand echter Bewusstlosigkeit, ausgelöst von den Schlägen, die er eingesteckt hatte.
    Es gab jedoch keinen Beweis, dass es so gewesen war. Nicht den geringsten. Und was war, wenn Washburn, wie einer ihrer Mitgeschworenen schon früh zu bedenken gegeben hatte, nichts weiter war als ein Mann, der dafür bezahlt wurde, im Interesse seiner Mandanten Lügen zu erzählen? Waren das nicht alle Anwälte? Unwillkürlich musste sie an den Fall O. J. Simpson oder an die sogenannte »Twinkie Defense« im Fall Dan White in San Francisco denken. Wenn sie die einzige Gegenstimme war und ihr Beharren auf einem Freispruch auf keinerlei konkreten Beweisen basierte, wie sollte sie dann ihre Entscheidung vor ihrem Mann und ihren Freunden rechtfertigen?
    Wie könnte sie damit leben?
    »Maggie?« Behutsam drückte Sue Whitson wieder ihren Arm.

    »Soll ich den Gerichtsdiener rufen?«, fragte Cannoe.
    Maggie Ellersby schaute an die Decke, sprach ein kurzes Gebet für Evan Schollers Seele und senkte den Blick wieder auf den Tisch, an dem sie saßen. »Nein«, sagte sie. »Ich glaube, wir müssen noch einen Wahlgang machen.«

Teil Vier
    2007

30
    Dismas Hardys Scheibenwischer konnten nicht mit dem Wolkenbruch mithalten. Sie wischten, so schnell sie konnten, aber dieser letzte in einer ganzen Reihe von März-Regengüssen reduzierte die Sicht mehr oder weniger auf null. Hardy sah das erste Tor erst, als er direkt davor war. Wenn er im Sommer und Herbst das Verdeck aufklappen konnte, war sein kleines Honda Zweisitzer-Cabrio unschlagbar, aber für so ein

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