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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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seiner Zigarre und blies den Rauch aus. Dann drehte er die Zigarre zwischen seinen Lippen und tunkte das nicht angezündete
Ende in ein kleines Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, bei der es sich der daneben stehenden Flasche nach zu schließen um Armagnac handelte. »Wollen Sie mir wirklich nicht Gesellschaft leisten?«
    »Nein, danke. Denn dann würde ich nicht nur einen kleinen Schluck von Ihrem Nektar wollen, und ich muss hinterher noch fahren.«
    »Wahrscheinlich ein weiser Entschluss. Aber jetzt, was kann ich heute für Sie tun?«
    »Es mag vielleicht etwas seltsam klingen, aber die Idee kam mir, als ich Mills herumzukriegen versuchte. Ich habe nicht einmal einen Entwurf von Charlie Bowens Berufungsantrag in der Akte gefunden, woraus ich schließe, dass er noch nicht dazu gekommen war, einen aufzusetzen. Ich hatte auch angenommen, dass er sich dabei auf die PTBS-Geschichte stützen würde. Aber jetzt frage ich mich doch, ob er Ihnen gegenüber etwas davon erwähnt hat.«
    »Wovon?«
    »Womit er seine Berufung begründen wollte. Vor allem, wenn es nicht die PTBS war.«
    Washburn setzte sich zurück, zog an der Zigarre, behielt den Rauch im Mund. »Da schneiden Sie jetzt einen interessanten Punkt an.« Wieder eine Pause, während der er die Zigarre erneut in Armagnac tauchte. »Anscheinend glaubte er nämlich, es könnte mehr dabei herauskommen, wenn er die Kompetenz der Lokalpolizei und des FBI infrage stellte.«
    »Wieso das?«
    »Na ja, wegen der Khalil-Morde.« Die Zigarre zwischen den Lippen drehend, setzte sich Washburn nachdenklich zurück. »Ich meine, da waren zwei Morde, die in engem Zusammenhang mit dem Fall Scholler standen - diesbezüglich gab
es überhaupt keinen Zweifel -, und das alles verbunden mit der unverhohlenen Unterstellung, dass Scholler sie mit den Splittergranaten begangen hatte. Allerdings hat ihn der DA dieser Morde nie angeklagt. Sehen Sie jetzt, was ich meine?«
    Hardy sah es ganz deutlich, und es erschien ihm sofort erstaunlich einleuchtend. »Die Polizei und das FBI haben also nie irgendjemand anderen vernommen?«
    »Und«, fügte Washburn hinzu, »warum hätten sie das auch tun sollen? Sie hatten einen Verdächtigen, gegen den sie eine Verurteilung durchbringen konnten. Also haben sie ihn einfach nur für einen Mord hinter Gitter gebracht und nicht für drei und mussten so auch nicht das Risiko eingehen, in den anderen beiden Fällen zu unterliegen.«
    »Wollen Sie damit sagen, sie haben wegen der Khalil-Morde sonst niemanden vernommen?«
    »Ein paar Leute wahrscheinlich schon, nehme ich mal an. Aber sicher nicht jeden, den sie sich hätten vorknöpfen können.« Er sog die beißende Luft in seine Lunge. »Dabei lassen Sie allerdings außer Acht - und ich frage mich, ob das auch Mister Bowen getan hat -, dass man seine Berufung nicht auf Beweise stützen kann, die nicht ins Protokoll aufgenommen wurden. Was der Protokollführer nicht festgehalten hat, weiß das Gericht nicht.«
    »Das lasse ich keineswegs außer Acht«, sagte Hardy. »Aber wer hat dann die Khalils ermordet?«
    »Also, wenn Sie Evan Scholler Glauben schenken, war es Ron Nolan.«
    »Haben Sie Scholler geglaubt?«
    Washburn schien zum ersten Mal seit langem wieder darüber nachzudenken. »Jetzt, wo Sie es ansprechen, ja, ich glaube schon. Evan Scholler hat keine Handfeuerwaffen und
Granaten als Andenken aus dem Irak in die Staaten geschmuggelt. Er war nur ein paar Wochen dort drüben. In der kurzen Zeit, die er dort war, hätte er unmöglich eine Quelle für so etwas auftun und dann auch noch eine Möglichkeit finden können, sie nach Hause zu schicken. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass er im Koma lag, als er nach Hause geflogen wurde. Es würde mich sehr wundern, wenn er auch nur seine Socken mitgenommen hätte, geschweige denn ein kleines Waffenarsenal.« Er betrachtete die lange Asche seiner Zigarre. »Nein«, sagte er noch einmal, »das kann ich mir nicht vorstellen. Wie soll er das angestellt haben?«
    »Woher kam dann das ganze Zeug in Nolans Schrank?«
    »Es muss Nolan gehört haben, glauben Sie nicht? Er konnte sich wesentlich freier bewegen, und er hatte sowohl mehr Zeit als auch erheblich mehr Kontakte, als Scholler das jemals hatte.«
    Hardy setzte sich zurück, der Ellbogen auf der Armstütze, die Hand auf seinem Mund, tief in Gedanken. »Also gut«, sagte er schließlich abwesend. »Nehmen wir mal an, dass Nolan die Khalils umgebracht hat. Ich möchte hier nicht zu weit vorausgreifen.

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