Schattenkampf
Zuständigkeitsbereich? Und wer ist wir?«
»Der Redwood-City-Fall könnte mit ein paar Morden in San Francisco in Zusammenhang stehen, Bill. Und wir sind ich und der Anwalt, mit dem ich an dieser Sache arbeite.«
»Wie auch immer, Freed und Riggio stehen Ihnen nicht zur Verfügung.«
»Weil sie nicht mehr beim FBI sind?«
»Richtig, Abe. Sonst noch was?«
»Wenn Sie sagen, sie sind nicht mehr beim FBI, Bill, heißt das, sie sind jetzt bei einer anderen Bundesbehörde? Oder wollen Sie mir weismachen, zwei FBI-Agenten Mitte dreißig haben in Texas eine Eisdiele eröffnet und Ihnen nicht gesagt, wo?«
»Es freut mich jedes Mal von neuem, von Ihnen zu hören, Abe. Einen schönen Tag noch.«
Trotz Shuylers guter Wünsche war es für Glitsky alles andere als ein schöner Tag. Es war früher Nachmittag, und er saß an seinem Schreibtisch. Fünf Minuten zuvor war er aufgestanden und hatte die Deckenbeleuchtung ausgeschaltet und die Tür zugemacht und abgeschlossen. Beide Hände lagen auf der Schreibunterlage, und ab und zu, in unregelmäßigen Abständen, trommelte er mit den Fingern. Seine Mundpartie war angespannt, und an seiner Wange arbeitete ein Unterkiefermuskel.
Es war nicht als Witz gemeint gewesen, als er am Freitagabend zu Hardy gesagt hatte, dass man unter den Agenten des Federal Bureau of Investigation keine Busenfreunde hatte. Hardys Bitte, dafür zu sorgen, dass die Agenten Jacob Freed und Marcia Riggio mit ihm redeten, wenn er anrief, war ihm so harmlos erschienen, dass er mit keinerlei bürokratischem Hickhack gerechnet hatte. Er und Schuyler hatten in mehreren Fällen zusammengearbeitet und waren bisher, von kleinen Zuständigkeitsdifferenzen abgesehen, auf menschlicher Ebene immer relativ gut miteinander ausgekommen.
Als Hardy ihm am Freitagabend erklärt hatte, dass die schiere Zahl der Fragen in Zusammenhang mit den Bowens, die möglicherweise etwas mit dem Fall Scholler zu tun hatten, genügen würde, um sich seiner Aufmerksamkeit zu versichern, war das für Glitsky noch lange kein Grund gewesen, sich diesbezüglich in irgendeiner Form festzulegen. Fragen gehörten einfach dazu. Um nichts anderes ging es bei Ermittlungen. Wenig Menschen waren so rücksichtsvoll, so zu verschwinden oder zu sterben, dass alle offenen Fragen in ihrem Leben geklärt waren.
Doch jetzt sah sich Glitsky angesichts dieses unerklärlichen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgeschobenen Verschwindens der zwei FBI-Agenten, die im Scholler-Fall eine wichtige Rolle gespielt hatten, wieder einmal mit der uralten ermittlungstechnischen Grundregel konfrontiert: Zufälle gibt es nicht.
Es war kein Zufall, dass Ron Nolan für Allstrong gearbeitet hatte - und Arnold Zwick ebenfalls.
Auch vier Genickbrüche an einem Wochenende waren kein Zufall.
Neben diesen neuen Erkenntnissen, die einem fast notgedrungen zu denken gaben, war da auch noch der Umstand, dass Charlie Bowen, der im Fall Scholler in Berufung hatte gehen wollen, spurlos verschwunden war.
Es gab bestimmt eine einleuchtende und plausible Erklärung für den Selbstmord seiner Frau sechs Monate später. Und es war weiß Gott nichts Ungewöhnliches, dass FBI-Agenten den Dienst quittierten.
Aber die Art und Weise, wie alle diese Dinge in einer scheinbar willkürlichen Verquickung von Zufällen zusammenkamen, stellte Glitskys Gutgläubigkeit in einem Maß auf die Probe, das weit über seine normale Belastbarkeit hinausging.
Hier bestand eindeutig ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen. Er wusste nur nicht, worin er genau bestand. Aber er gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass mindestens einer der Morde, die sich in seinem Zuständigkeitsbereich ereignet hatten, dabei eine Rolle spielten. Möglicherweise sogar zwei. Und vielleicht noch mehr. Damit wurde es zu seiner Angelegenheit.
Darüber hinaus vergrößerte die Beteiligung von FBI und Allstrong das Spielfeld ganz erheblich. Was im Fall Scholler ursprünglich passiert war - und Glitsky kannte schmählicherweise kaum mehr als ein paar oberflächliche Details -, war mehr oder weniger überschaubar erschienen: im Prinzip nichts weiter als zwei Kerle, die sich wegen einer Frau in die Haare geraten waren. Doch plötzlich brachten Hardys Theorien die Khalils und die Geschäfte, in die sie im Irak verwickelt waren, ins Spiel, und selbst eine Beteiligung amerikanischer Regierungsstellen schien mit einem Mal keineswegs mehr so abwegig. Obwohl sich Abe Glitsky in Kenntnis so mancher
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