Schattenkampf

tagen.
    Washburn, der während der langen Zeugenbefragung still geblieben war, zeigte wenig von dem Enthusiasmus, den er am Tag zuvor an den Tag gelegt hatte, als er langsam aufstand und zum Kreuzverhör nach vorn kam. »Special Agent Riggio«, begann er mit sonorer Stimme, »Sie haben ausgesagt, dass Sie unmittelbar nach den Khalil-Morden mit mehreren Familienangehörigen gesprochen haben. Worüber haben Sie mit ihnen gesprochen?«
    »Wir führten die üblichen vorläufigen Befragungen durch, die nach einem derartigen Vorfall vorgenommen werden.«
    »Und worum ging es in diesen Befragungen?«
    »Wir versuchten uns ein Bild von den Beziehungen der einzelnen Familienangehörigen zu den Verstorbenen zu verschaffen
sowie von geschäftlichen, persönlichen, politischen oder sonstigen Aspekten, die sich erhellend auf die Ermittlungen zu der Straftat hätten auswirken können.«
    »Wie viele dieser Gespräche haben Sie geführt?«
    Hinter ihm meldete sich Mills zu Wort. »Einspruch. Relevanz.«
    »Stattgegeben.«
    Washburn konnte sich eine enttäuschte Grimasse nicht ganz verkneifen. »Die Khalils haben weit verzweigte Geschäftsinteressen, richtig?«
    Wieder: »Einspruch. Irrelevant.«
    Dieses Mal konterte Washburn. »Keineswegs, Euer Ehren. Die Anklage hat Mister Scholler zwar nie des Mordes an den Khalils angeklagt, versucht aber ständig ohne jegliche Beweise zu insistieren, der Angeklagte sei irgendwie darin verwickelt gewesen. Ich würde gern wissen, ob Special Agent Riggio mit einem von Mister Khalils zahlreichen Geschäftspartnern gesprochen hat, der in irgendeiner Beziehung zu Mister Scholler stand?«
    »Gut. Abgelehnt. Sie dürfen die Frage beantworten.«
    Für Riggio machte das keinen Unterschied. Sie nickte ungerührt. »Ja, die Khalils hatten weitreichende Geschäftsverbindungen.«
    »Nur hier in den Vereinigten Staaten?«
    »Nein. Auch im Ausland.«
    »Im Irak?«
    »Laut Aussagen der Kinder, ja.«
    »Aber Sie haben diese Angaben nicht selbst nachgeprüft?«
    »Wir waren gerade dabei, sämtliche von uns zusammengetragenen Angaben zu verifizieren, als Mister Nolan ermordet wurde.«

    »Die Antwort ist also Nein«, sagte Washburn. »Sie haben die Angaben über die geschäftlichen Beziehungen der Khalils im Irak nicht auf ihre Richtigkeit überprüft, richtig?«
    »Euer Ehren!«, versuchte es Mills erneut. »Relevanz?«
    »Wird sofort klarwerden, Euer Ehren«, erklärte Washburn.
    »Gut, aber wehe, wenn nicht. Abgelehnt.«
    »Special Agent Riggio, Mister Nolan arbeitete für ein privates amerikanisches Sicherheitsunternehmen im Irak? Für Allstrong Security?«
    Jetzt sprang Mills auf. »Euer Ehren, bitte! Das hatten wir bereits. Dieser Angelausflug wird zu nichts führen, und der einzige Grund, dieses Hörensagen einzubringen, ist, eine Verbindung zwischen Mister Nolan und den Khalils zu suggerieren, die durch keinerlei Beweise gestützt wird.«
    Washburn wusste, er konnte sich vermutlich mindestens einen Ausraster pro Verhandlung leisten. Das war vermutlich nicht der schlechteste Zeitpunkt dafür, und er wirbelte zu Mills herum. »Es gibt erheblich mehr Beweise für eine Verwicklung Nolans in die Khalil-Morde als für eine Beteiligung meines Mandanten. Sie wollen nur nicht, dass die Geschworenen etwas zu hören bekommen, was nicht in Ihre Theorie passt.«
    Klopf! Klopf! Klopf!
    »Mister Washburn!«, legte Tollson los. »Sie beide. Es reicht. Noch mehr dergleichen, und es gibt eine Klage wegen Missachtung des Gerichts. Sie haben Ihre Einlassungen an die Bank zu richten und nicht aneinander.« Der Richter bedachte beide Anwälten zu gleichen Teilen mit einem finsteren Blick. Dann sagte er mit einem Blick auf die Wanduhr: »Ich verordne eine zehnminütige Pause, damit sich alle erst einmal beruhigen können.«

    Als Washburn die Befragung wieder aufnahm, war er die Sachlichkeit in Person. Er hatte einen Packen mit Dokumenten mitgebracht, die er vom FBI erhalten hatte, und reichte sie Riggio in den Zeugenstand. »Special Agent Riggio. Hatten Sie mittels dieser Geschäftsunterlagen Gelegenheit, Nachforschungen über die Splittergranaten anzustellen, die Sie in Mister Nolans Haus entdeckt haben?«
    »Ja.«
    »Und was haben Sie herausgefunden?«
    »Diese speziellen Granaten wurden Ende zweitausendundzwei hergestellt - falls Sie Charge und Seriennummer wissen wollen, kann ich sie Ihnen gern nennen, aber dazu müsste ich …«
    »Das ist nicht nötig. Fahren Sie fort.«
    »Sie wurden in den ersten Wochen der Invasion in