Schattenkampf
wusste, dass das bei den Geschworenen gut ankäme - es war nur ein weiteres dieser letztlich nicht greifbaren Elemente, die bei einem Prozess manchmal zum Tragen kamen. Ein wichtiger Zeuge der Anklage und eine Staatsanwältin, die einen guten Draht zueinander hatten, konnten der Falldarstellung
der Anklage einen Hauch von Rechtmäßigkeit, von unanfechtbarer Überzeugungskraft verleihen.
Mills wirkte gut ausgeruht und zuversichtlich, als sie zuerst den Geschworenen zunickte und dann Spinoza mit einem Lächeln bedachte, das aus ganzem Herzen zu kommen schien. »Lieutenant Spinoza, welchen Posten bekleiden Sie bei der Polizei?«
»Ich bin Leiter des Morddezernats.«
Nachdem sie ihn die damit verbundenen Aufgaben hatte erläutern lassen, kam sie zur Sache. »Der Angeklagte war Streifenpolizist, richtig, Lieutenant?«
»Ja. Er war Streifenpolizist, bevor er in den Irak ging, und nach seiner Rückkehr wurde er in derselben Funktion wieder in den Polizeidienst übernommen.«
»Wie haben Sie ihn dann überhaupt kennengelernt?«
Spinoza schickte ein halbes Grinsen in Richtung Geschworenenbank, dann zuckte er mit den Schultern. Was sollte er anderes sagen? Es war die Wahrheit. »Er war in unserem Bowlingteam.«
»Können Sie dem Gericht bitte sagen, Lieutenant, wann Ihnen zum ersten Mal ein Zusammenhang zwischen dem Angeklagten und dem Opfer, Ron Nolan, zur Kenntnis kam.«
»Ja. Das war an dem Wochenende nach den Khalil-Morden. Ich machte Überstunden und sah den Angeklagten zufällig an einem unserer Computer sitzen, und als ich ihn fragte, was er da machte, sagte er, er versuchte die Adresse eines Drogendealers herauszufinden.«
»Hat er Ihnen den Namen dieses Dealers genannt?«
»Ja. Er sagte mir, er hieße Ron Nolan.«
»Ist das ein Verstoß gegen die Vorschriften.«
»Na ja, es ist eine Grauzone. Selbstverständlich dürfen Polizisten
Dienstcomputer nicht für private Zwecke nutzen. Um einer Drogenspur nachzugehen, durfte er den Computer jedoch benutzen, obwohl er die Sache, streng genommen, an die Sitte hätte weiterleiten müssen.«
»Und wenn er nun den Computer dazu benutzt hat, einen Nebenbuhler ausfindig zu machen?«
»Das wäre nicht nur gegen die polizeiinternen Vorschriften, sondern auch gegen das Gesetz. Wäre er dabei erwischt worden, hätte er damit rechnen müssen, entlassen und möglicherweise sogar strafrechtlich belangt zu werden.«
»Die Verwendung des Computers durch den Angeklagten war also in diesem Fall illegal?«
»Wie sich gezeigt hat, ja.«
»Und trotzdem haben Sie ihm geholfen?«
Im Zuge ihrer Vorbereitungen hatten sich Mills und Spinoza darauf geeinigt, dass das ein prekärer Punkt wäre, den sie am besten ganz direkt angehen sollten. »Ich wusste zum damaligen Zeitpunkt natürlich nicht, wozu er den Computer wirklich verwendete, aber Sie haben natürlich Recht, in gewisser Weise habe ich ihn bei seinem Vorhaben unterstützt. Er sagte mir, er versuchte einen Drogendealer ausfindig zu machen, und ich glaubte ihm.«
»Und inwiefern haben Sie ihm geholfen?«
Spinoza wandte sich den Geschworenen zu und sprach direkt zu ihnen. »Na ja, ich dachte, er müsste lernen, mit dem Programm umzugehen, falls er mal anhand eines Auto-Kennzeichens eine Adresse herausfinden müsste. Man könnte sagen, ich betrachtete das Ganze als eine Übungsgelegenheit für ihn, und dachte mir nichts weiter dabei.«
»Hat Ihnen der Angeklagte gesagt, weshalb er Mister Nolans Adresse herausfinden wollte?«
»Ja. Aber ich hielt seine Begründung … na ja, ich fasste das Ganze als Witz auf.« Das war eine wichtige Klarstellung, von der Mills wollte, dass er sie unbedingt einbrachte, weil sie dazu diente, sowohl Schollers Arroganz als auch seinen Vorsatz zu unterstreichen.
»Aber das war der Grund, den er Ihnen genannt hat?«
»Er sagte, er wollte Mister Nolan finden und umbringen.«
Durch den Saal hallte der Hauch einer Reaktion, gravierend genug, um Tollsons Hammer zweimal niedersausen zu lassen.
Mills wartete, bis das Gemurmel verstummt war, bevor sie mit der Befragung fortfuhr. »Hat der Angeklagte auch bei anderen Gelegenheiten gesagt, er wolle seinen Nebenbuhler umbringen?«
»Ja.«
»Und bei welcher Gelegenheit war das?«
Spinoza drehte sich im Zeugenstuhl, um wieder die Geschworenen anzusehen. »Bei mir zu Hause. Nach dem Dienst.«
»Ist das üblich? Dass ein Streifenpolizist nach dem Dienst zu Ihnen nach Hause kommt?«
»Nein. Es war eindeutig ungewöhnlich.«
»Und wie ist diese
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