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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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verstehe nicht ... ich kann es einfach nicht fassen. Die Medikamente haben ihm doch geholfen. Er wurde ruhiger. Konzentrierter irgendwie. Das hat das Leben für ihn und uns leichter gemacht. Vor allem für ... vor allem für Ellen.«
    »Ich verstehe. Sie musste also die Last auf sich nehmen, meistens, meine ich?«
    »Die Last?«
    Zum ersten Mal bei dieser Vernehmung zeigte Jon Mohr Anzeichen von Irritation. Die Furchen über seiner Nasenwurzel wurden deutlicher, und er beugte sich ein wenig vor.
    »Man spricht nicht von einer ›Last‹, wenn es um das eigene Kind geht! Aber Sander war unruhig, von seiner Geburt an, und da wir nicht auf Ellens Einkommen angewiesen sind, hielten wir es beide für die beste Lösung, dass sie nicht arbeitet ...«
    »Dass sie nicht arbeitet?«, fiel Holme ihm ins Wort. »Für mich klingt das aber nach ganz schön viel Arbeit, mit Sander und dem großen Haus ...«
    »So war das doch nicht gemeint«, unterbrach ihn Jon Mohr.
    Sein Gesicht verdüsterte sich.
    »Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich seit gestern Morgen um halb sechs nicht eine Sekunde geschlafen habe. Ich habe gerade mein einziges Kind durch einen entsetzlichen Unfall verloren, meine Frau ist völlig zusammengebrochen ...«
    Er beugte sich auf dem Stuhl so weit vor, dass Henrik Holme seinen ein Stückchen zurückschob, obwohl der große Schreibtisch sie trennte.
    »Ich glaube, kein Mensch auf der Welt kann sich das vorstellen«, fauchte Jon Mohr, und eine feine Speichelwolke verteilte sich über der Tischplatte. »Niemand kann sich vorstellen, wie es ist, das eigene Kind zu verlieren, auf so sinnlose, entsetzliche, grausame ...«
    Er fand keine Worte. Langsam ließ er sich zurücksinken und umfasste mit beiden Händen so fest sein Gesicht, dass die Fingerknöchel weiß wurden.
    »Tragischerweise gibt es gerade sehr viele, die sich das vorstellen können«, sagte Henrik Holme leise und starrte auf seinen Bildschirm. »Der Unterschied ist nur, dass bei den anderen der Täter bekannt ist.«
    Jon Mohr ließ sein Gesicht los und starrte Holme an, ungläubig, an der Grenze zum Abscheu. Sein Mund bebte, und die Augen in dem verweinten Gesicht wurden schmal.
    Henrik Holme schüttelte leicht den Kopf und hob beide Handflächen zu einer versöhnlichen Geste.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte er.
    »Täter?«, fauchte Jon Mohr. »Was zum Teufel meinen Sie mit Täter? Sander ist von einer Leiter gefallen! Einer Trittleiter in unserem eigenen Wohnzimmer. Niemand sonst war da, als es passiert ist. Was zum Teufel unterstellen Sie mir hier eigentlich? «
    »Nichts«, sagte Holme, so ruhig er konnte. Jetzt schwitzte er kräftig. Er räusperte sich und holte tief Luft.
    »Ich gehe davon aus, dass Ihnen klar ist, dass der Tod Ihres Sohnes als verdächtiger Todesfall eingestuft werden muss. Das bedeutet nicht ...« Wieder hob er die Hände, diesmal, um nicht unterbrochen zu werden.
    Jon Mohr saß sprungbereit da, und sein Gesicht war dunkelrot und feucht.
    »Das bedeutet nicht, dass wir Sie in irgendeinem Verdacht haben«, sagte Holme. »Bis auf Weiteres. Wir müssen Klarheit in die Umstände bringen. Wir werden alle vernehmen, die dafür infrage kommen, wir werden einen Obduktionsbericht anfordern, und die Technikerin wird sich das, was sie heute Nacht gefunden hat, noch genauer ansehen. Wir werden einfach alle Tatsachen auswerten, die uns zugänglich sind. Am Ende, wenn das alles geschehen ist, ziehen wir unsere Schlussfolgerungen. In Ordnung?«
    Jetzt war er schon zufriedener mit sich.
    Der Mann im Besuchersessel wirkte ein wenig ruhiger.
    Er, der sechsundzwanzig Jahre alte Anfänger Henrik Holme, hatte es geschafft, einen verzweifelten Mann mittleren Alters zu beruhigen, kurz bevor der Kerl ihm die Augen ausgekratzt hätte.
    Es lief doch ganz gut.
    Seit er nur wenige Wochen zuvor die Polizeihochschule verlassen und das Glück gehabt hatte, einen Sommerjob in Oslo zu bekommen, hatte er seine Zeit vor allem mit Verkehrsdelikten vergeudet. Und auch wenn dieser Fall nicht gerade einen Meisterdetektiv verdiente, war er doch interessanter als die Aufgaben, die Holme bisher übertragen worden waren. Außerdem würde die Sache schnell erledigt sein. Holme lächelte Jon Mohr aufmunternd an, denn legte er beide Hände auf die Tischplatte und fügte hinzu: »Und falls wir nicht zu dem Schluss kommen, dass der Junge zu Tode misshandelt worden ist, wird das Krankenhaus Ihnen den Leichnam übergeben, und Sie können die Beerdigung abhalten. Es

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