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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Hand.
    »Taschenlampe«, sagte Henrik Holme.
    »Ja. Wenn er darauf gefallen ist. Ich sehe, Sie haben einen ziemlich ausführlichen Bericht geschrieben. Ganz schön gründlich, das muss man Ihnen lassen.«
    Ihr Lächeln reichte nicht bis zu den Augen, und er fragte sich, ob sie sich über ihn lustig machte. Unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen.
    »Das Haus haben Sie ja sehr genau beschrieben«, sagte sie jetzt. »Unter anderem betonen Sie, dass die Räume ungewöhnlich hoch sind. Ist das ein altes Haus?«
    »Alt?«
    Er trat noch immer von einem Fuß auf den anderen.
    »Ja. Alte Häuser haben oft hohe Räume, nicht wahr?«
    »Ach, so. Nein.«
    »Nein was?«
    »Das Haus ist nicht sehr alt. Es muss wohl so ...«
    Er schloss die Augen und versuchte, sich das Haus im Glads vei vorzustellen.
    »Ich kenne mich mit Architektur nicht so gut aus«, sagte er langsam. »Aber es war nicht so ein altes Haus mit Türmchen und Erkern.«
    Jetzt war ihr Lachen echt. Sie schob die Akte ein Stück von sich weg und rückte ihre Brille gerade.
    »Richtig alte Häuser haben in der Regel keine Türmchen.«
    »Nein«, antwortete er. »Aber ich glaube jedenfalls, dass dieses Haus ziemlich neu ist. Zehn, zwanzig Jahre vielleicht? Die Zimmer sind vielleicht drei Meter hoch, das passt irgendwie zu dem ... Luxus. Das Wohnzimmer ist riesig, sehr viel größer als ...«
    »Drei Meter ist ziemlich hoch für einen Achtjährigen.«
    »Ja, aber ...«
    »Es gibt nichts, absolut nichts in diesem Fall, das auf etwas anderes als das Offenkundige hinweist. Der Junge ist unglücklicherweise von einer Leiter gefallen, mit dem Kopf auf eine große Taschenlampe aufgeprallt und gestorben. Tragisch und brutal. Schrecklich für die Eltern. Sie schreiben hier ja selbst ...«
    Wieder griff sie zu seinem Bericht, den er am Vortag in der Hoffnung geschrieben hatte, irgendwen zu überzeugen.
    »Die Mutter wirkte hysterisch«, las sie vor. »Fast nicht imstande, zu erfassen, was vor sich ging. Sie klammerte sich an das tote Kind. Der Vater hatte verweinte Augen, blieb stumm und erlitt einen Anfall heftigen Zitterns.«
    Sie hob den Blick und nagelte damit den von Henrik Holme fest.
    »Ziemlich passendes Verhalten nach einem solchen Unfall, oder?«
    »Schon. Aber ...«
    »Und wir haben absolut nichts, was auf frühere Gewaltanwendung hindeutet wie Krankenhausaufenthalte des Jungen oder Besuche beim Notarzt, irgendein Hinweis, dass bei der Familie etwas im Argen lag?«
    Henrik Holme richtete sich auf und holte tief Luft.
    »Nein«, rief er fast. »Aber wir können das doch nicht mit Sicherheit sagen, so lange wir es nicht untersucht haben, verdammt noch mal!«
    Die Polizeijuristin ließ den Bericht los und lehnte sich zurück. Sie musterte den jungen Beamten von Kopf bis Fuß. Er gab sich alle Mühe, nicht rot zu werden.
    »Entschuldigen Sie«, murmelte er, als sie weiterhin schwieg. »Ich hätte nicht fluchen dürfen.«
    »Nein«, sagte sie. »Aber ich bin es, die um Entschuldigung bitten muss. Sie haben ja ganz recht. Das Problem ist nur, dass diese Tatsache in einer Zeit wie dieser untergeht, wo wir es mit unglaublichen Herausforderungen zu tun haben, Tag und Nacht arbeiten und ...«
    Resigniert, fast hilflos fuhr sie sich mit der Hand durch die Haare.
    »Das hier ist keine sozial schwache Familie im Wohnwagen«, sagte sie überraschend leise. »Wir reden von einem erfolgreichen Ehepaar mit einem allem Anschein nach ersehnten Kind an einer von Oslos angesagtesten Adressen. Bestimmt mit einem guten Netzwerk, keine finanziellen Probleme ...«
    Henrik Holme fiel ihr ins Wort.
    »Das ist ...«, sagte er, noch immer zu laut, »das ist ein umgekehrtes Vorurteil. Als ob Reiche ihre Kinder nicht misshandelten. Als ob eine vornehme Adresse garantieren würde, dass es den Kindern in der Familie gut geht. Ich sehe ja ein, dass ich grün und neu und unerfahren bin und dass Sie ...«
    Als sie beide Handflächen hob, verstummte er abrupt.
    »Ich habe Ihnen schon recht gegeben«, sagte sie mit scharfer Stimme. »Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass wir gerade in Arbeit ertrinken. Also erst mal sind Sie allein. Schreiben Sie auf, wie Sie vorgehen wollen, und kommen Sie dann damit zurück. Irgendwann müssen wir jemand finden, der Sie anleitet, aber vorläufig ...«
    Wieder maß sie ihn mit Blicken. Sein Kopf war zu groß für den dünnen langen Hals. Seine Augen unschuldsblau mit Wimpern, um die sie ihn beneidete. Die Arme wirkten zu lang. Henrik

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