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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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war.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Dumm ist ein Wort, das ich nicht gern verwende. Aber Sander war nicht das, was man als guten Schüler bezeichnen kann. Er schrieb schlecht, und seine Orthografie war phantasievoll, um es mal so zu sagen. Rechnen schien ihn schon mehr zu interessieren, aber das half bei den Ergebnissen nicht besonders viel. Es war sicher wegen dieser Unruhe in seinem Körper. Große Konzentrationsschwierigkeiten, auch wenn er schon in der ersten Klasse eine Unterrichtsbetreuerin bekommen hatte.«
    »Ach was«, sagte Henrik Holme. »Eine Betreuerin? Nur für Sander?«
    »Ja, das hat geholfen. Die Betreuerin, Elin Foss heißt sie, hatte eine besondere Begabung, den Jungen zu beruhigen. Es wurde besser. Für uns alle.«
    »Ist so was nicht schrecklich ... teuer?«
    Sanders Lehrerin lächelte strahlend. Ihre Zähne waren klein, alle gleich groß und ließen sie jünger wirken. Henrik Holme nahm sich das letzte Plätzchen.
    »Sicher. In den Schulen wird hart um die Mittel gekämpft, und ohne seine ungeheuer aktiven Eltern hätte Sander wohl kaum eine eigene Betreuerin bekommen. Möchten Sie noch Plätzchen?«
    Sie zeigte einladend auf die leere Gebäckschale und erhob sich mit einem fast unhörbaren Stöhnen vom Sofa.
    »Nein, danke«, sagte er eilig mit vollem Mund. »Verzeihung. Die sind so lecker.«
    »Das freut mich doch.«
    Sie ließ sich mit einem kleinen Seufzer wieder fallen.
    »Unterliegt das nicht eigentlich der Schweigepflicht?«
    Eine plötzliche Besorgnis zeigte sich in dem fast faltenlosen Gesicht.
    »Ach, dieser schreckliche Anschlag hat mich ganz aus dem Gleichgewicht gebracht. Und dann auch noch Sanders Tod. Habe ich jetzt etwas falsch gemacht?«
    Sie legte sich die Hand vor den Mund.
    »Nicht doch«, beteuerte Henrik Holme, der völlig vergessen hatte, sie zu Beginn über ihre Rechte und Pflichten zu informieren – doch diese Vernehmung ähnelte ja auch eher einem gemütlichen Kaffeeklatsch. »Das ist schon in Ordnung. Ich bin doch Polizist.«
    »Sind Sie ganz sicher? Ich meine, für Lehrerinnen und Lehrer gilt doch die Schweigepflicht, wenn es um die persönlichen Verhältnisse der Kinder geht.«
    »Sander ist tot«, sagte Henrik Holme und beugte sich im Sessel vor. »Und ich bin von der Polizei.«
    Er faltete die Hände, stützte die Ellbogen auf die Knie und versuchte, seine Stimme so dunkel wie möglich klingen zu lassen.
    »Das hier ist ein reiner Routinebesuch. Ich ermittle in einem ...«
    Und das Wort »Mordfall« lag ihm auf der Zungenspitze, aber er riss sich zusammen.
    »... einem unklaren Todesfall.«
    »Ich dachte, er ist von einer Leiter gefallen. Sie haben gesagt, er ...«
    »Aber ist er von selbst gefallen? Wurde er gestoßen? Aus einer Höhe von fast drei Metern heruntergerissen? Oder ist diese Trittleiter vielleicht eine falsche Spur? Eine glatte Lüge, die sich die Eltern aus den Fingern gesogen haben, um etwas ganz anderes zu vertuschen?«
    Haldis Grande starrte ihn mit offenem Mund an. Ihr Doppelkinn wurde zum Vierfachkinn. Dann fing sie an zu lachen, ein helles und befreiendes Lachen, das auch Henrik Holme ein Lächeln entlockte, obwohl er die Situation überhaupt nicht komisch fand.
    »Das ist«, lachte sie und wischte sich mit ihrer molligen Hand die Augen, »das ist, mit Verlaub, der schlimmste Unfug, den ich seit Langem gehört habe. Ellen und Jon Mohr? Ellen und Jon sollen ihren Sohn umgebracht haben? Ich glaube, Sie sind völlig verwirrt, mein Junge.«
    Innerhalb weniger Minuten war er von »Herr Holme« zu »mein Junge« reduziert worden. Sein Adamsapfel begann seinen enervierenden Tanz, und er setzte sich gerade und griff sich an den Hals.
    »Ellen Mohr ist die hingebungsvollste Mutter, die mir je begegnet ist«, sagte Haldis Grande jetzt. »Und ich arbeite seit 1971 als Lehrerin. Was hat sie für ihren Jungen nicht alles getan. In diesen zwei Jahren war sie Elternsprecherin, hat im Elternrat gesessen, hat Ausflüge und großartige, phantasievolle Sammlungen für die Klassenkasse arrangiert. Die 2 a ist die wohlhabendste Klasse der ganzen Schule, mein guter Herr Holme.«
    Henrik versuchte, nicht zu schlucken. Jetzt war er immerhin wieder zu »Herr Holme« befördert worden.
    »Und wie gesagt hätte Sander niemals eine Assistentin bekommen, wenn seine Eltern nicht andauernd und unbeirrbar Druck ausgeübt hätten«, fügte sie hinzu. »Seine Mutter ist bis zur Schulbehörde damit gegangen.«
    »Aha«, sagte Henrik Holme und leckte sich

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