Schattenkinder - im Zentrum der Macht
gerissen hat.«
Trey versuchte dem zu folgen.
»Also haben Sie für Mr Talbot gearbeitet«, wandte er sich an den Chauffeur. »Warum haben Sie uns das nicht gleich gesagt, nachdem Mr und Mrs Grant tot waren?«
»Hättet ihr mir denn geglaubt?«, fragte der Mann zurück.
Trey bezweifelte das. Er war damals völlig durcheinander. Alles war ein völliges Durcheinander gewesen.
»Ich hatte angenommen, ich könnte euch einfach zu Mr Talbot bringen und alles wäre in Ordnung«, erzählte der Chauffeur weiter.
Trey wurde klar, dass der Mann, auch wenn er erwachsenwar, genauso überrascht gewesen war wie er selbst, als die Männer der Bevölkerungspolizei über das Anwesen der Talbots herfielen. Er hatte sich genauso hilflos gefühlt und, genau wie Trey, hier und da eine falsche Entscheidung getroffen.
»Wir dachten, es wäre ein Glück, dass der Chauffeur entdeckt hatte, wo Lees Familie lebt. Wir dachten, wir würden ihn retten. Aber als wir zu den Grants zurückkamen, war die Bevölkerungspolizei auch schon da«, erzählte Nina. »Man hat uns wegen unerlaubten Eindringens verhaftet, nur weil wir durch das Eingangstor gefahren sind. Wir wussten doch nicht . . .«
»Wir wussten überhaupt nichts«, sagte Lee.
»Wir wissen immer noch nichts«, murmelte Joel.
Trey hatte den Jüngeren fast vergessen.
»Okay, okay, genug der alten Geschichten«, sagte Nedley. »Wir müssen
sofort
zu diesem sicheren Ort. Ich kenne einen Schleichweg. Was haltet ihr davon, wenn ich fahre?«
Trey setzte sich zu seinen Freunden hinten auf den Pick-up und Nedley schlüpfte hinters Steuerrad. Er fuhr einen zerfurchten Pfad hinab, der Trey niemals aufgefallen wäre.
Trey lehnte sich zur Seite und flüsterte Lee ins Ohr: »Was ist, wenn wir Nedley nicht vertrauen können? Wenn er uns in noch größere Gefahr bringt statt in Sicherheit?«
Lee zuckte nur mit den Schultern. Sie hatten keine große Wahl, nicht mit Marks gebrochenem Bein und dem bewusstlosen Mr Talbot. Abgesehen davon wirkten auch Lee, Nina, Joel, John und der Chauffeur so blass und ausgemergelt, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, vom Wagen herunterzuspringen, selbst wenn ihr Leben davon abgehangen hätte.
»Haben sie euch im Gefängnis zu essen gegeben?«, fragte Trey.
Lee schüttelte den Kopf.
»Nicht viel«, sagte er. »Hin und wieder Schleimsuppe. Alle drei Tage vielleicht.«
Sie waren seit fast einer Woche ohne richtiges Essen – kein Wunder, dass sie nur dasaßen und vor sich hin starrten, als könnten sie nicht einmal die Bäume wahrnehmen, an denen sie vorbeirauschten, und die Zweige, die gegen den Pritschenwagen peitschten.
Trey spannte die Muskeln an und starrte in die Ferne, bereit sie alle zu verteidigen, wenn es sein musste.
Doch als sie aus den Bäumen wieder auftauchten, entspannte er sich sofort.
Direkt vor ihnen erhob sich ein großes, fensterloses Gebäude wie eine starke Burg. Es war einer der einzigen beiden Orte, an denen sich Trey je zu Hause gefühlt hatte.
Sie waren zurück in der Hendricks-Schule.
33. Kapitel
N edley parkte den Wagen vor Mr Hendricks’ Haus, der augenblicklich mit seinem Rollstuhl herausgerollt kam. Seine Augen waren auf das Abzeichen der Bevölkerungspoli zei auf Nedleys schwarzem Hemd geheftet.
»Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt!«, rief er. »Sie haben bereits alle meine arbeitsfähigen Angestellten mitgenommen. Ich habe nichts mehr, was –« Er brach ab, als er die restlichen Gestalten auf dem Pritschenwagen erblickte. Erleichterung und Freude spiegelten sich in seinem Gesicht, doch dann schien er seine Gefühle zu zügeln und starrte ihnen ausdruckslos entgegen.
Das war verständlich. Schließlich wusste er nicht, was vor sich ging oder was er gefahrlos sagen konnte.
»Immer mit der Ruhe, alter Mann«, sagte Nedley. »Ich bringe Ihnen einige Leute zurück. Und Sie können jedem von ihnen vertrauen.«
Da rollte Mr Hendricks beglückt vorwärts und rief: »Lee! Nina! Joel! John! Ich dachte, ich würde euch nie wieder sehen. Und –« Mit besorgtem Blick sah er sich um. Schließlich blieb sein Blick an Trey hängen. »Trey?«, sagte er verhalten. »In Uniform?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Trey.
»Ich habe auch George dabei«, sagte Nedley. »Er ist in schlechtem Zustand. Ist Ihre Pflegerin noch bei Ihnen?«
Mr Hendricks gab keine Antwort, er wandte nur den Kopf und rief in Richtung Haus: »Theodora! George ist hier!«
Eine Frau kam aus dem Haus gerannt – eine Frau mit leuchtend
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