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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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sie zu Omas Haus zurück, um wenigstens den Camcorder zu holen, den sie nicht zur Beisetzung hatte mitnehmen dürfen, um die Trauergesellschaft zu filmen. Das wurde ihr jedoch schnell langweilig, denn die Figur, die sie am meisten interessierte, Omas Anwalt, war schon vor dem Kaffee gegangen. Er hatte einen Termin. Außer Tante Marie keine interessanten Menschen weit und breit. Bis auf Florian. Auch er langweilte sich wohl, denn er hatte sich auf den Spielplatz des Gasthauses zurückgezogen, der verwaist unter alten Kastanien lag. Dort entdeckte Lena ihn, als sie mit Lukas, der dringend Bewegung brauchte, hinausging. Florian balancierte gerade über eine Hängebrücke zu einem hölzernen Turm. Er winkte ihnen zu und deutete auf die Plattform in luftiger Höhe. Lena erklomm sie gemeinsam mit Lukas von der anderen Seite über ein Netz aus Seilen.
    Als Lukas die Rutschbahn auf der rückwärtigen Seite entdeckte, stieß er ein Indianergeheul aus und ließ sich in den Sand gleiten. Lena setzte sich neben Florian und ließ wie er die Beine über den Rand baumeln.
    Kaum waren sie ins Gespräch gekommen, erschien Florians Oma. Das schwarze Kostüm betonte die tiefen Furchen um ihren Mund und unterstrich ihren verbissenen Gesichtsausdruck. Lena war keine Spur esoterisch veranlagt, doch beim Anblick von Babette Leitner konnte sogar sie die negative Energie spüren, die von dieser Frau ausging und sie wie eine dunkle Aura umgab. Sie kommandierte Florian ab, die Uroma nach Hause zu bringen, die ständig ihr Gebiss herausnahm und damit spielte. Einfach unmöglich. Florian sollte auf sie aufpassen, bis Petra ihn ablösen würde. Er murrte zwar, schwang sich dann aber von der Plattform und zwinkerte Lena zu. »Morgen um elf am See, ganz hinten, beim Steg. Okay?«
    »Okay«, erwiderte Lena, bemüht, möglichst cool zu klingen.
    Der Rest des Tages ging schnell vorüber. Abends hatten weder Tom noch Steffi Lust zu kochen. Also gingen sie alle ins Bella Italia zum Essen. Nachts lag Lena die Lasagne im Magen. Sie schlief schlecht und wachte irgendwann nach Mitternacht auf. Im Dunkeln lag sie wach, lauschte den Geräuschen des Hauses. Dem Knarren des Holzes, dem Rascheln der Vorhänge im Luftzug des geöffneten Fensters. Draußen strich der Wind durch die Bäume. Es hörte sich an, als ob sie sich Geheimnisse zuwisperten. Unheimliche Geheimnise. Mit klopfendem Herzen stand Lena auf, schloss das Fenster und blickte in den Garten. In der Dunkelheit verschmolzen die Silhouetten der Büsche und Bäume mit dem Schwarz der Nacht. Von jenseits des Zauns nahm sie ein schwaches Funkeln war. Stand da jemand und beobachtete das Haus? Unwillkürlich stockte ihr der Atem. Irgendetwas bewegte sich da draußen. Sicher nur ein Igel, versuchte Lena, sich zu beruhigen, oder eine Katze . Sie verriegelte das Fenster und kroch zurück unter die Bettdecke.
    Am nächsten Morgen stand sie früh auf und konnte sich ewig nicht entscheiden, was sie anziehen sollte. Shorts oder Jeansrock? Aus der Küche drang Geklapper. Steffi machte Frühstück, während Tom packte. Noch am Vormittag wollte er zurück nach Stuttgart fahren, um Lukas ins Ferienlager zu bringen und sich auf zwei Vorstellungsgespräche in den kommenden Tagen vorzubereiten. Lena hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn sie daran dachte, wie dieser Anwalt Steffi gestern angesehen hatte. Ausgerechnet jetzt musste Tom abreisen!
    Etwas zog sich schmerzhaft in ihr zusammen. Sie ließ sich aufs Bett fallen. Tom brauchte einen neuen Job, dann würde sicher alles wieder so werden wie früher. Besser er fuhr, ergatterte eine der beiden Stellen und kam dann so schnell wie möglich wieder nach Altenbrunn. Alles wird gut, beruhigte Lena sich, stand auf und entschied sich für die Shorts. Sie war einfach praktischer, denn sie wollte mit Omas Rad an den See fahren.
    Beim Frühstück war Steffi damit beschäftigt, eine Liste anzufertigen. Versicherungen und Zeitschriftenabos mussten gekündigt werden, Strom, Wasser und Müllabfuhr abbestellt, Krankenkasse und Rentenanstalt informiert werden und so weiter und so fort. Sie schien Tom gar nicht wahrzunehmen und verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuss von ihm.
    Lena knuddelte ihren kleinen Bruder und wünschte ihm viel Spaß im Zeltlager, dann umarmte sie Tom. »Diesmal bekommst du die Stelle. Wirst schon sehen.«
    »Wenn du mir die Daumen drückst.«
    »Klar! Und die großen Zehen, wenn es sein muss. Dann kommst du aber hierher, um die frohe Kunde selbst zu

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