Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
erwartete. Also gab er seine Anweisungen, laut und präzise. Wie beinahe jeden Morgen.
Anschließend bat er Aswig und Nidi zu sich.
»Wie geht es dir?«, fragte er den ehemaligen Schiffsjungen des Fliegenden Holländers.
»G... gut.« Aswig klammerte sich am Schweif des Schrazels fest.
»Nidi hat dir erzählt, was ich von dir verlange ... worum ich dich bitte?«
»Ja«, antwortete der Junge leise. »Aber ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann.«
»Du weißt, dass jedermann an Bord eines Schiffs Pflichten zu erfüllen hat. Ohne Ausnahme, ohne Wenn und Aber. Du hattest einige Tage Zeit, dich auf der Cyria Rani einzugewöhnen, das ist mehr, als Matrosen sonst zugestanden wird. Nun verlange ich, dass du deinen Dienst aufnimmst.«
»Oh, das ist schön! Ich kann dasselbe machen wie auf meinem alten Schiff. Ich kenne mich schon toll aus, kenne alle Winkel und Verstecke ...«
»Das glaube ich nicht.« Arun dachte an all die versteckten Kammern, deren Existenz nur wenigen Personen bekannt war. »Aber das ist nicht die Arbeit, die dir zugedacht ist. Du weißt, was ich von dir verlange.«
Aswig senkte den Kopf und fuhr sich nervös durch die ohnedies schon zerstrubbelten Haare. »Es geht um den Dolch.«
»Richtig. Um Girne. Um Lauras Schicksal, um unseres, um das Innistìrs. Um das des Schiffs.«
»Oh! Laura. Und das Schiff.« Der Junge streichelte über Holz, sachte und liebevoll.
»Wir wissen, dass etwas Besonderes in dir schlummert. Du bist auf Innistìr geboren, du hast ein stark ausgeprägtes Gefühl für deine Umgebung. Ich bin mir sicher, dass du einmal einen ausgezeichneten Schiffsoffizier abgeben wirst.«
»Schiffsoffizier? Ich?« Aswig drückte Nidis Schweif so fest, dass dieser vor Schmerz laut aufschrie.
»Ja, du. Erledige deine Arbeit, so gut es geht. Streng dich mehr an als andere. Gib alles, was du hast. Überzeuge mich, dass wirklich etwas Großes in dir steckt.«
Nidi starrte Arun böse an, der Kapitän ignorierte es. Er wollte nur den Ehrgeiz des Jungen anstacheln. Was war schon falsch daran, ihn ein klein wenig zu fordern? Aswig hatte das Zeug zu einem ausgezeichneten Seemann. Doch mit seiner schüchternen, reservierten und auch misstrauischen Art, die er dem jahrelangen Dienst unter dem brutalsten Kapitän der Luftschifffahrt verdankte, würde ihn niemand als Vorgesetzten anerkennen.
»Du wirst dich heute nicht mit dem Schiff beschäftigen, sondern dich mit Nidi in eine ruhige Ecke des Achterdecks zurückziehen. Ihr beide werdet den ganzen Tag nichts anderes tun, als zu versuchen, eure Kräfte zu verbinden und nach dem Gold, das im Dolch Girne steckt, zu suchen.« Arun redete mit ruhiger, monotoner Stimme. »Ich erwarte rasche Erfolge. Zeig mir, wozu du in der Lage bist! Erweise dich als würdig, mit der Cyria Rani auf große Fahrt zu gehen, als vollwertiges Mannschaftsmitglied.«
Oh ja – er hatte die richtigen Worte gefunden. Nidi zwinkerte ihm zu. Der Schrazel war gewiss nicht mit all seinen Worten einverstanden; doch Aswig fühlte sich bei seiner Ehre gepackt und nicht unter Druck gesetzt.
»Ja, Käpt'n«, sagte der Junge und verbeugte sich ehrerbietig. »Nidi und ich schaffen das. Wir finden den Dolch, ganz sicher.«
»Dann ist es gut.« Arun nickte den beiden Freunden zu und stellte sich wieder an seinen Lieblingsplatz am Vorbau des Kampagnedecks, sodass ihn die Matrosen und Offiziere sehen konnten. Er sehnte sich nach seiner Kajüte und hätte gerne dort sein Frühstück eingenommen. Doch sein Pflichtbewusstsein hielt ihn am Platz, so wie jeden Tag.
Arun hätte schwören können, dass er sich leise wie eine Schiffsratte genähert hatte – und dennoch schreckte Aswig aus seiner Konzentration hoch. Er riss die Augen auf, starrte ihn an und zitterte, als stünde ihm der Schiffsgeist leibhaftig gegenüber.
»Du solltest uns besser nicht stören«, sagte Nidi, ohne seine Position zu verändern. Er umklammerte mit dem buschigen Schwanz ein Tau, das lose aus der Takelage herabhing. »Konzentration ist alles bei unserer Suche.«
»Die Sonne hat ihren höchsten Punkt längst überschritten. Ihr sitzt seit Stunden im prallen Licht. Ich machte mir Sorgen.«
»Unsinn! Du bist neugierig und ungeduldig.«
»Vielleicht ein bisschen.« Arun stellte das Tablett ab, das er eigenhändig aus der Küche geholt hatte, und lüftete den ersten Topfdeckel. »Kutteln, fein gedünstet und mit Pastinakenstrudel zu einer leckeren Suppe verkocht für Nidi ...«
»Igitt!«, rief der Kleine,
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