Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
den Kopf von ihr abgewandt.
»Du kannst mich nicht reinlegen«, sagte sie. »Ich weiß ganz genau, dass du wach bist. Du kannst nur einschlafen, wenn du auf dem Rücken liegst und alle viere von dir streckst. Um nicht die eine Körperseite mehr abzunutzen als die andere, hast du einmal versucht, mir mit deinem treuherzigen Hundeblick zu versichern.«
»Es stimmt!« , beharrte Zoe und drehte sich ihr zu. »Die Kopfform verändert sich, wenn man dauernd nach links oder nach rechts gedreht schläft. Auch die Rundungen des Pos leiden darunter ...«
»Selbstverständlich. Manchmal frage ich mich, ob du all den Mist glaubst, den du da so von dir gibst.«
Zoe richtete sich auf und reckte die langen Arme weit in die Höhe. So als wäre sie soeben aus ihrem Schönheitsschlaf erwacht. »Die Menschen haben was gegen allzu intelligente Blondinen«, sagte sie leise und mit unerwarteter Offenheit. Sie gähnte. »Es schürt noch mehr die Eifersucht. Ein gutes Aussehen allein kann Otto Durchschnittsverbraucher akzeptieren; doch wenn in einem perfekten Körper auch noch ein etwas größeres Stück Verstand drinsteckt, muss man mit Eifersucht oder gar mit Hass rechnen. Und beides ist fürs Geschäft nicht sonderlich zuträglich.«
»Uns alle hier eint, dass wir kleine oder große Geheimnisse hüten«, murmelte Laura. »Kaum einer der Passagiere ist das, was er vorzugeben scheint.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Gloria. Die Stewardess mit den Augen, in denen sich nichts spiegelt. Die beiden Passagiere aus Reihe sechs, die andauernd die Köpfe zusammenhalten und miteinander tuscheln. Norbert, der so laut vor sich hin tönt, als müsse er von anderen Dingen ablenken. Das mondäne Fotomodell mit seinem klugen Köpfchen ... Die Liste ließe sich wohl endlos erweitern.«
»Und was hast du vor uns zu verbergen, meine Hübsche?« Zoe lächelte, wie nur sie lächeln konnte.
»Ich befürchte, dass ich es selbst noch nicht weiß. Aber da ist etwas in mir, was mich beunruhigt ...«
Laura wandte sich abrupt ab, packte ihre Siebensachen zusammen und machte sich abmarschbereit. Wie sollte sie der Freundin bloß all die Befürchtungen und Ängste begreiflich machen, die sie seit ihrer Ankunft quälten?
Mit Jack und Andreas an der Spitze drangen sie in dieses Wunderland aus Sandbergen und Sandtälern vor. Der Marsch, steil bergauf und steil bergab, der stetige Wechsel von Licht zu Schatten und wieder zurück, der Kampf gegen die teils stürmischen Winde sowie der hochgewirbelte Flugsand zehrten an ihren Nerven und ihren Kräften.
Irgendwann hob Jack den Arm als Zeichen für die Gruppe, anzuhalten und sich um ihn zu versammeln. Er deutete auf Najid. »Unser junger Freund hier hat mir versichert, dass sich hinter dem Gipfel der nächsten Düne eine Wasserstelle befindet.«
»Wird aber auch Zeit!«, keifte Norbert. »Ich habe ehrlich gesagt schon Zweifel an den Qualitäten unserer geliebten Anführer bekommen.«
»Welche Düne meinst du?«, fragte Felix Müller. Misstrauisch blickte er sich um.
Sie befanden sich in der Talsohle einer Senke, die von zwei steil hochragenden Flanken aus gepresstem Sand eingerahmt wurde.
»Diese da.« Jack deutete nach vorn.
»Wollen Sie uns verschaukeln?«
Maurice trat dicht an ihn heran und besah die dunkel wirkende Wand, die unvermittelt vor ihnen hochragte. Die Düne versperrte ihnen den Weg. Sie erreichte eine Höhe von mindestens dreihundert Metern.
»Da geht's nahezu senkrecht aufwärts! Den Aufstieg schaffen wir niemals!«
»Der kluge Mann weicht Problemen aus, die sich auf den ersten Blick nicht lösen lassen«, ergänzte Norbert Rimmzahn. »Nachzulesen in Kapitel drei meines Bestsellers Eine Manager-Karriere. Sicherlich gibt es einen einfacheren Weg, als auf direktem Weg wie die Äffchen hochzuklettern.«
»Sie können sich gern umsehen, Rimmzahn«, mischte sich Andreas ein. »Najid hat uns glaubhaft versichert, dass dies der einzige gangbare Weg ist.«
Er deutete auf rostige Haken, die von irgendjemandem in den Sand getrieben worden und in Abständen von einem Meter oder mehr übereinander angeordnet waren.
»Er nennt sie die Endlose Düne. Sie ist eine Besonderheit in diesem seltsamen Land. Solange sich die Bewohner Innistìrs zurückerinnern können, so sagt Najid, grenzt sie die Dünenlandschaft vom dahinter liegenden Teil der Wüste ab.«
»Und was, bitte schön, befindet sich dahinter?«, fragte Norbert. Ohne Andreas die Möglichkeit zur Antwort zu geben, fuhr er fort: »Ich
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