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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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ersten Mal befand sie sich im Vorteil. Sie war diejenige mit dem Druckmittel – und mit der Pistole.
    Sie fuhr zurück zu dem Supermarkt und benutzte dasselbe Münztelefon, von dem aus Ballencoa seinen geheimnisvollen Anruf getätigt hatte. Vorher wischte sie den Hörer mit einem Zipfel ihres T-Shirts ab und verzog das Gesicht bei der Vorstellung, dass er ihn in der Hand gehabt und an sein Ohr gehalten hatte.
    Es läutete endlos bei den Gracidas. Mit jedem Klingeln wurde Lauren ungeduldiger. Sie hatte genug Zeit in Ställen verbracht, um zu wissen, dass es dort keine Empfangsdame gab, die Anrufe entgegennahm. Für alle, die dort arbeiteten, kamen die Pferde an erster Stelle. Befand sich jemand, der des Englischen mächtig war, zufällig in der Nähe des Telefons, dann nahm er ab. Wenn Maria eine Reitstunde gab oder einen Ausritt machte, oder wenn kein Englisch sprechender Stallknecht in der Nähe war und sich auch kein Reitschüler erbarmte, würde sich irgendwann der Anrufbeantworter im Büro einschalten.
    »Rancho Gracida. Maria am Apparat.«
    »Maria, ich bin’s, Lauren Lawton.«
    »Lauren, Sie sind zu Hause. Da bin ich aber froh.«
    »Nein, ich bin nicht zu Hause«, sagte Lauren. »Ich rufe nur an, um Ihnen und Leah zu sagen, dass ich mich möglicherweise etwas verspäte.«
    »Oh … also … ich habe Leah vor einiger Zeit nach Hause gefahren«, sagte Maria. »Sie hat sich nicht wohlgefühlt. Ich habe ihr angeboten zu warten, bis Sie kommen, aber sie wollte sich hinlegen. Ich habe mich vergewissert, dass sie hinter mir abgeschlossen hat.«
    Lauren lief es plötzlich eiskalt über den Rücken. Plötzlich wünschte sie, sie hätte Greg Hewitts Angebot, ein Auge auf Leah zu haben, nicht so vorschnell abgelehnt. Sie hatte ihre Tochter bei den Gracidas in Sicherheit geglaubt; dort waren so viele Leute um sie herum, dass nichts passieren konnte, ohne dass es jemand mitbekam. Und außerdem wusste Ballencoa nichts von der Ranch. Leah allein zu Hause war eine ganz andere Sache.
    »Ich habe versucht, Sie anzurufen, bevor ich Leah nach Hause brachte«, sagte Maria.
    »Es wäre mir lieber, Sie hätten sie nicht allein gelassen«, sagte Lauren mit einem scharfen Unterton, während die Kälte in ihrem Innern der Angst wich.
    »Ich habe sie gefragt, ob ich bleiben soll. Sie hat gesagt, sie kommt allein zurecht.«
    »Sie ist erst fünfzehn.«
    »Wir dachten, dass Sie nur schnell in die Stadt gefahren sind, um etwas zu besorgen. Wenn alle Türen und das Tor zugesperrt sind, kann doch eigentlich nichts …«
    »Ihre Schwester wurde entführt, Maria. Was haben Sie sich nur dabei gedacht?« Jetzt stieg tief aus ihrem Inneren die Wut in ihr hoch. Sie war eine Mutter, die ihr Kind beschützen musste – und die diese Aufgabe miserabel erledigte.
    »Ich dachte, wenn alle Türen abgeschlossen sind …«
    Lauren legte auf, kramte ein weiteres Fünfundzwanzig-Centstück aus ihrer Hosentasche, warf es ein und rief zu Hause an.
    Das Telefon klingelte … und klingelte … und klingelte …

53
    Leah konnte den Mann durch die Glasscheibe in der Tür sehen. Er sah aus wie ein Detective, dachte sie. Breite, eckige Schultern und ein breites, eckiges Kinn. Angezogen war er wie Don Johnson in Miami Vice , T-Shirt und Leinenjackett. Seine Augen waren hinter einer Pilotenbrille verborgen.
    Sie drückte auf den Knopf der Sprechanlage. »Ich muss mir ihren Ausweis zeigen lassen«, sagte sie unsicher. Sie hatte Angst, dass sie wertvolle Zeit verschwendete. Bestimmt war der Mann ein Detective.
    Kurz dachte sie, dass er ihr irgendwie bekannt vorkam, doch sie kannte keine Detectives in Oak Knoll. Aber das war egal. Das Einzige, was zählte, war, dass sie zu ihrer Mutter musste.
    Bitte, lieber Gott, lass sie nicht sterben. Ich muss ihr sagen, wie leid es mir tut.
    »Das ist auch richtig so«, sagte der Detective und nickte. Er hielt einen Ausweis an die Scheibe. »Ich bin Detective Houston. Du kannst aufmachen.«
    Erleichtert öffnete Leah die Tür.
    In dem Augenblick, als Detective Houston über die Schwelle trat, hatte sie jedoch ein ungutes Gefühl. Warum kam er ins Haus, wenn er sie doch zu ihrer Mutter bringen sollte?
    Sie versuchte, dieses Gefühl zu verdrängen. Sie war bloß nervös, weil ihrer Mutter etwas passiert war. Außerdem fühlte sie sich in der Gegenwart von Männern, die sie nicht kannte, immer unwohl. Sie war dumm. Er war ein Detective. Er hatte ihr seinen Ausweis gezeigt. Nicht jeder Mann auf diesem Planeten war ein

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