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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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ihre Augen in Tränen, sie stand abrupt auf und ging zum Kühlschrank, wo sie eine Flasche Wodka aus dem Gefrierfach holte. Sie warf ein paar Eiswürfel in ein Glas, goss großzügig Wodka darauf und kehrte damit zum Tisch zurück.
    Er konnte nur ahnen, wie sie sich fühlte, da sie überzeugt war, dass der Mann, der ihre ältere Tochter entführt hatte, mitten in der Nacht zu ihrem Haus gekommen war, jenem Haus, in dem sie und ihre jüngere Tochter Zuflucht gesucht hatten. Sie musste glauben, nirgends mehr sicher zu sein. Das Gefühl haben, jemand hätte ihr Gewalt angetan.
    Als sie ihn jetzt ansah, lag in ihren Augen Trotz. Sie hob das Glas an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck.
    »Hat Ihnen Detective Tanner erzählt, dass ich Alkoholikerin bin?«
    »Nein, Ma’am«, sagte er ohne Regung. »Sind Sie das?«
    »Nein«, erwiderte sie und lächelte ein kleines bitteres Lächeln. »Obwohl ich mich wirklich sehr bemühe.«
    »Sie haben gerade einen Riesenschreck erlebt«, sagte er verständnisvoll. »Da ist es absolut nachvollziehbar, dass Sie sich zur Beruhigung einen Drink genehmigen. Abgesehen davon steht mir kein Urteil darüber zu. Aber wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen dabei hilft, mit Ihren Erlebnissen fertigzuwerden, kann ich Ihnen eine Adresse geben.«
    »Nein, danke.«
    Er zog eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche und legte sie auf den Tisch. Anne Leones Karte. Er hatte stets ein paar davon bei sich. Nicht, dass Anne Werbung nötig hatte. Außerdem arbeitete sie sowieso meistens unentgeltlich. Aber nachdem ihr selbst mehr als ein Mal Gewalt angetan worden war, konnte sie sich gut in andere Opfer einfühlen. Er hätte gerne Annes Einschätzung zu Lauren Lawton gehört.
    Schweigend sah sie auf die Karte. Der Wodka tat offenbar seine Wirkung, sie schien sich ein wenig beruhigt zu haben – vielleicht war aber auch resigniert das bessere Wort. Er fragte sich, wie viel sie vor seinem Eintreffen bereits getrunken hatte.
    »Was werden Sie unternehmen?«, fragte sie.
    »Als Erstes werde ich veranlassen, dass das Foto auf Fingerabdrücke untersucht wird«, sagte er. »Dann werde ich Ihre Nachbarn befragen, vielleicht hat ja jemand etwas beobachtet. Abgesehen davon kann ich nichts tun. Ich habe keine Ahnung, wo Mr. Ballencoa sich aufhält. Wenn ich ihn nicht finde, kann ich ihn auch nicht vernehmen. Und wenn keine Fingerabdrücke auf dem Foto sind oder wenn sie nicht mit seinen übereinstimmen, kann ich ohnehin nicht mehr tun, als ihn fragen, wo er heute Abend war. Aber zuerst einmal müssen wir wissen, wo er sich aufhält.«
    Sie nickte und nahm einen zweiten Schluck aus ihrem Glas, ohne den Blick von der Tischplatte zu heben.
    »Hat er so etwas Ähnliches in Santa Barbara gemacht?«, fragte Mendez.
    »Ja.«
    »Hat er je versucht, Ihnen körperliche Gewalt anzutun?«
    »Nein.«
    »Aber er hat sie angerufen? Solche Sachen?«
    »Ja, aber immer von einem Münzfernsprecher aus, sodass die Anrufe nicht zurückverfolgt werden konnten.«
    »Hat er jemals versucht, sich Zutritt zu Ihrem Haus zu verschaffen?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. Ein weiteres Ja oder Nein, an dem eine längere Geschichte hing.
    »Ja«, sagte sie schließlich.
    »Ist er eingebrochen?«
    »Nein. Aber er ist irgendwie reingekommen«, erklärte sie. »Ich habe keine Ahnung, wie. Ich war nicht da. Als ich nach Hause kam, wusste ich sofort, dass er da gewesen war.«
    »Hatte er etwas hinterlassen? Oder etwas mitgenommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es waren nur verschiedene Dinge nicht mehr an ihrem Platz. Er war im Haus, hat ein Glas Wein getrunken, das Glas gespült und es auf den Tisch gestellt, wo ich es sehen musste. Er hat die Toilette benutzt und das Handtuch in die Wäsche geworfen. Er hat eine Maschine Wäsche gewaschen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich hatte einen Korb mit Schmutzwäsche auf die Waschmaschine gestellt. Unterwäsche. Als ich nach Hause kam, lag sie, zusammen mit dem Handtuch, frisch gewaschen in der Maschine.«
    Mendez stützte die Ellbogen auf und sah sie verwundert an, er musste an die Einbrüche denken, die sich in letzter Zeit bei ihnen ereignet hatten. Merkwürdigerweise war nie etwas mitgenommen worden. Er hatte es für einen Kinderstreich gehalten. Aber vielleicht stimmte das ja nicht.
    »Hat ihn jemand kommen oder gehen sehen?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Woher wissen Sie, dass er es war?«
    »Er war es.«
    »Hat man ihn befragt?«
    Sie lachte bitter. »Weswegen denn? Weil er sich in ein Gespenst

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