Schattennaechte
erfüllt.
Sie saß still da, trank von ihrem Wodka und dachte, dass trotz der guten Absichten von Detective Mendez nichts dabei herauskommen würde. All das war nur eine weitere Strophe in einem Gedicht über Sinnlosigkeit, ein unablässig wiederkehrender Albtraum mit verschiedenen Protagonisten.
Mendez versuchte, ihr zu helfen, aber es würde zu nichts führen, außer zu neuer Wut und Enttäuschung.
Vielleicht war das das Fegefeuer oder die Umsetzung von Einsteins Definition des Wahnsinns: Immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten.
Vielleicht war es an der Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen.
Lauren nahm die Geldbörse aus ihrer Handtasche und holte eine Visitenkarte aus dem Reißverschlussfach. GREGORY HEWITT , ZUGELASSENER PRIVATDETEKTIV . Sie drehte die Karte um und betrachtete lange das, was auf der Rückseite stand. Sie hätte sie Mendez geben sollen, aber sie konnte nicht, selbst wenn sie gewollt hätte. Sie sollte diese Karte gar nicht haben, aber sie hatte einen hohen Preis dafür bezahlt. Sie hatte sie behalten, ohne Gebrauch davon zu machen, weil sie glaubte, dass sie sonst eine Grenze überschreiten würde.
Doch jetzt begriff sie, dass es keine Grenze gab. Wenn sie an eine solche Grenze geglaubt hätte, wäre sie niemals hierhergekommen. Ihre Grenzen waren vor langer Zeit von Roland Ballencoa vernichtet worden.
Sie steckte die Karte zurück in die Geldbörse und wandte ihren Blick der Pistole zu, die neben ihrer Handtasche auf dem Tisch lag. Ohne nachzudenken, griff sie danach und wog das vertraute Gewicht in der Hand. Die Pistole war noch immer geladen, und es befand sich noch eine Kugel in der Kammer.
Sie überprüfte die Sicherung, dann schob sie die Pistole in das Seitenfach ihrer Handtasche. Sie stand auf, verließ das Haus, stieg in ihr Auto und fuhr los.
Um diese Zeit, kurz vor der Dämmerung, waren die Straßen leer und still. Ihr war, als hörte sie in den Häusern, an denen sie vorbeifuhr, die schlafenden Bewohner atmen.
Die gesuchte Adresse befand sich in einem älteren Wohnviertel zwischen Stadtzentrum und College. Lauren versuchte sich vorzustellen, wer hier lebte – Studenten, Angestellte des Colleges, Beschäftigte der Lampenfabrik am Stadtrand. Keine Professoren. Keine Ärzte oder Rechtsanwälte.
Das gesuchte Haus war ein Eckhaus, ein Bungalow im Craftsman-Stil. Mit einem schlichten braunen Anstrich, einer schmalen Veranda und einer frei stehenden Einzelgarage, die es vom Nachbarhaus abschirmte.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, während sie ein Mal um den Block fuhr. Auf der Rückseite des Grundstücks entdeckte sie einen Schuppen. Sie fuhr daran vorbei, überquerte die Hauptstraße, umrundete den nächsten Block und parkte in einer Seitenstraße mit freier Sicht auf das Haus.
Hier wohnte Roland Ballencoa.
21
Die Fenster waren dunkel. Auf der Veranda brannte kein Licht. In der Einfahrt stand kein Auto. Das Garagentor war geschlossen.
Lauren saß in ihrem Auto, das unter den riesigen Kastanienbäumen links und rechts der Straße mit den Schatten verschmolz wie eine große Katze, und starrte zu dem Haus hinüber, stellte sich vor, wie Ballencoa im Bett lag, nicht ahnend, dass er beobachtet wurde. Dieses Wissen verlieh ihr ein vages Gefühl von Macht, und sie fragte sich, ob er etwas Ähnliches empfand, wenn er sie beobachtete.
Der Gedanke, dass sie die gleichen Empfindungen haben könnten, behagte ihr nicht. Sie hatte nichts mit ihm gemeinsam, und dennoch war sie jetzt hier …
Als würde ihr Körper nicht zu ihr gehören, stieg sie aus und ging auf den Bungalow zu. Sie presste ihre Tasche an sich, eine Hand um den Griff der Walther, die im Seitenfach steckte, gelegt. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Sie hielt den Kopf gesenkt, den Schild ihrer Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen.
Sie ging an Ballencoas Haus vorbei und bog in den Weg auf der Rückseite ein.
Das Grundstück war winzig und wurde auf zwei Seiten von Ficushecken vor fremden Blicken geschützt. Hinten in dem handtuchgroßen Garten stand ein dunkler, mit Dachpappe gedeckter Schuppen. Ursprünglich hatte er wohl als Garage gedient. Die kleinen Fenster waren von innen schwarz angemalt. Das Tor war mit einem Vorhängeschloss gesichert, das in einem in den Betonboden eingelassenen Bügel eingehängt war.
Lauren schlich um den Schuppen herum, eine Hand an der Wand, als könnte sie auf diese Weise die Lebenskraft eines dahinter eingeschlossenen Wesens wahrnehmen. Sie hielt den Atem an
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