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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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infrage. Er fragte sich nicht, warum er solche Fantasien hatte, die ihn schon sein ganzes bewusstes Leben begleiteten. Er hielt sich nicht für einen Freak. Er schämte sich nicht für sich selbst. Er akzeptierte sich ganz und gar. Im Gegenteil, er fühlte sich den meisten Leuten sogar überlegen. Er hatte das Gefühl, dass er, wenn er sich uneingeschränkt bejahte, lebendiger war, als die meisten zu sein hofften.
    Er ließ Denise Garlands Bett so zurück, wie er es vorgefunden hatte – ungemacht, Decke und Laken zerwühlt. Er ging in ihr winziges Badezimmer und wusch sich. Er putzte sich mit ihrer Zahnbürste die Zähne. Dann zog er sich wieder an und verließ das Haus auf demselben Weg, auf dem er es betreten hatte, in seiner Hosentasche einen benutzten Slip, den er als Souvenir mitnahm.

31
    Hast du mich vermisst?
    Lauren umklammerte die Karte so fest, dass ihre Hand anfing zu zittern. Sie bekam keine Luft. Wie Stromschläge durchfuhr die Wut sie, noch mal und noch mal und noch mal. Immer und immer wieder.
    Sie regte sich fürchterlich auf. Sie war fürchterlich wütend. Sie hatte fürchterlich Angst.
    Hast du mich vermisst?
    Es regte sie auf, dass er so leicht an sie herankam und mit vier kleinen Wörtern ihr Blut zum Gefrieren brachte. Es machte sie wütend, dass er eine solche Macht über sie hatte. Und es machte ihr Angst, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte.
    Was sollte sie tun? Mendez anrufen? Um was genau zu sagen? Dass jemand eine Karte in ihren Briefkasten geworfen hatte? Sie konnte nicht beweisen, dass es Ballencoa gewesen war. Er war garantiert nicht so blöd, seine Fingerabdrücke darauf zu hinterlassen. Und wenn doch, was dann? Der Brief war keine Drohung. Was konnte Mendez schon tun? Ihn verhaften, weil er keine Briefmarke auf den Umschlag geklebt hatte?
    Sie könnte Greg Hewitt anrufen und ihn zu ihrem Schutz anheuern. Diese Idee verwarf sie sofort, allein der Gedanke, ihn wiederzusehen, trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht.
    Sie regte sich auf. Sie war wütend. Sie hatte Angst.
    Hast du mich vermisst?
    Wie hatte er sie hier entdeckt? Nur ein paar Leute wussten, dass sie in Oak Knoll wohnten. Und selbst denen hatte sie nichts Genaueres gesagt. Sie hatte ihnen erklärt, sie bräuchten einen Tapetenwechsel, aber sie hätten nichts Festes und wüssten nicht, wann sie zurückkämen. Sie hatte sich vielen ihrer ehemaligen Freunde entfremdet, und keiner fragte sie und wollte Einzelheiten wissen. Bestimmt waren sie erleichtert, dass sie sie losgeworden waren.
    Woher wusste Roland Ballencoa Bescheid? Wann hatte er sie gesehen? Wann war er ihr gefolgt? War er ihr von der Schießanlage nach Hause gefolgt? Wie konnte ihr das entgangen sein? Wie konnte es sein, dass sie ihn nicht gesehen hatte? Dass sie seine Nähe nicht gespürt hatte? Es führte nur eine Straße zu diesem Haus. Wenn ihr jemand gefolgt war … Mendez war ihr an diesem einen Tag gefolgt, und sie hatte es nicht gemerkt.
    Er war irgendwo dort draußen. Gut möglich, dass er sie in ebendieser Minute beobachtete. Es war das eine, wenn sie wusste, wo er wohnte. Etwas völlig anderes war es, wenn er wusste, wo sie wohnte – wo sie und Leah wohnten.
    Hast du mich vermisst?
    Sie ließ die Karte fallen, als würde sie durch die Berührung eine Verbindung zu ihm herstellen, als bestünde die Karte aus seiner Haut.
    Sie war verzweifelt, völlig verzweifelt.
    Und sie musste ganz allein mit der Situation fertigwerden.
    Wieder dachte sie an Lance. Der Schmerz, ihn nicht bei sich zu haben, war wie ein Messerstich in ihr Herz, aber statt Blut sprudelte heiße Wut aus ihr heraus.
    Wie konntest du mich damit nur alleinlassen? Leah alleinlassen? Du solltest derjenige sein, der mit diesem Monster fertigwerden muss, nicht ich.
    »Wie konntest du nur, Lance?«, flüsterte sie bitter. Nach vorn gebeugt, die Ellbogen auf den Oberschenkeln, stützte sie den Kopf in die Hände. »Wie konntest du nur? Warum bist du nicht bei uns geblieben und hast gekämpft? Warum konntest du nicht für uns kämpfen?«
    Die Tränen brannten in ihren Augen wie Säure. Ihr Kopf schien jeden Moment zu bersten, solch ein Druck hatte sich darin aufgebaut. Sie war zu erschöpft, um die Tränen zurückzuhalten. Sie hätte in diesem Moment alles gegeben für ein Paar starke Arme, die sie festhielten, breite Schultern, an die sie sich anlehnen konnte, dafür, jemanden zu haben, der ihr sagte, sie und Leah seien in Sicherheit.
    Sie war es so leid, stark sein zu müssen.
    Es war der

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