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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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ermordet hatte.
    »Ich sage dir das nur, damit du aufpasst, mein Schatz«, fuhr ihre Mutter fort. »Ich möchte, dass du vorsichtig bist. Wenn du ihn siehst, geh nicht in seine Nähe. Geh zu irgendeinem Erwachsenen und bitte ihn um Hilfe. Ruf mich an. Ruf die Polizei an. Im Büro des Sheriffs wissen sie über ihn Bescheid.«
    »Warum ist er hier? Warum muss er gerade hier sein?«, hörte Leah sich sagen. »Das ist gemein!«
    Sie hörte sich dumm an, dachte sie. Sie hörte sich wie ein dummes kleines Kind an, aber sie konnte nichts dagegen tun. Roland Ballencoa hatte ihnen das Leben in Santa Barbara zur Hölle gemacht. Seinetwegen war Leslie verschwunden. Seinetwegen war ihr Vater gestorben. Seinetwegen waren sie von Santa Barbara weggegangen. Jetzt war er hier.
    »Ich weiß es nicht, mein Engel«, sagte ihre Mutter.
    »Ist er uns hierher gefolgt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Weiß er, dass wir hier sind?«, fragte sie.
    Ihre Mutter sah auf den Sofatisch. Leahs Augen folgten ihrem Blick zu der Waffe, die auf einem Stapel Briefe lag.
    »Warum liegt Daddys Waffe da?«, fragte sie, die Augen schreckgeweitet.
    »Ich habe sie gestern Abend hervorgeholt«, sagte ihre Mutter. »Sie musste gereinigt werden, aber ich bin darüber eingeschlafen.«
    »Du lügst.« Die Worte waren aus Leahs Mund heraus, bevor sie überhaupt bemerkte, dass sie ihn geöffnet hatte. Sie sprang vom Sofa auf. »Du lügst! Ich weiß es. Hör auf, mich anzulügen. Ich bin kein Baby mehr!«
    »Leah!«
    »Du glaubst, dass du mich beschützt, aber das tust du nicht!«, rief Leah. »Du schaffst es nur, dass ich mir wie ein dummes kleines Kind vorkomme, so als wäre ich zu blöd, irgendwas zu begreifen, und du lügst mich an, damit ich so tue, als wäre alles in Ordnung. Aber es ist nichts in Ordnung! Nichts! Leslie ist weg, und Daddy ist tot, und – und – du trinkst zu viel, und jetzt hast du auch noch eine Waffe! Du machst mir Angst! Ich hab Angst vor dir! Und du interessierst dich überhaupt nicht für mich!«
    »Das ist nicht wahr, Leah!«, sagte Lauren. Auch sie war aufgesprungen. Sie wirkte verletzt, so als hätte Leah sie geschlagen. Aber das war Leah egal.
    »Doch, es ist wahr«, rief sie, und all die Gefühle, die sie seit Ewigkeiten in sich verschlossen hatte, kochten wie heiße Lava in ihr hoch. »Du interessierst dich nur dafür, was Leslie passiert ist und wie schrecklich das Leben ohne Leslie ist, und jetzt hast du Daddys Waffe, und du wirst dich damit umbringen, so wie sich Daddy umgebracht hat, und was ist dann mit mir? Was ist mit mir?!«
    Bei diesen Worten brach der letzte Damm, und all ihr Schmerz strömte in einer Flut von Tränen aus ihr heraus. Alles, was sie die ganze Zeit über zurückgehalten hatte, brandete in ihr hoch wie Wellen an zerklüfteten Felsen. Sie ließ sich auf das Sofa sinken und vergrub das Gesicht in einem Kissen, heulte sich die Seele aus dem Leib.
    Sie weinte um die kleine Schwester, die sie gewesen war, als Leslie verschwand. Sie weinte um das Mädchen, das sie gewesen war, als Daddy starb. Sie weinte um das, was sie jetzt war – eine einsame, verängstigte, wütende junge Frau, die das Gefühl hatte, dass der letzte Faden, der die Überreste ihrer Familie zusammenhielt, gerade riss.
    Sie würde allein zurückbleiben, niemand wäre mehr für sie da. Sie wäre diejenige, die bestraft würde für das, was Leslie an dem Tag getan hatte, als sie Hausarrest hatte und trotzdem zu dem Softballspiel gegangen war. Sie würde bestraft werden dafür, dass sie nicht ihre Mutter angerufen und ihre Schwester verpetzt hatte. Sie würde bestraft werden dafür, dass sie zugesehen hatte, wie Leslie fortging, und gehofft hatte, sie würde gewaltigen Ärger bekommen.
    »Leah.«
    Sie hörte die Stimme ihrer Mutter. Sie spürte die Hände ihrer Mutter auf ihren Schultern.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ihre Mutter. »Es tut mir so leid. Ich werde dich nicht alleinlassen, mein Engel. Ich verspreche dir, dass ich dich nie alleinlassen werde. Ich liebe dich so sehr. Es tut mir so sehr leid.«
    Leah drehte sich um und vergrub schluchzend ihr Gesicht an der Schulter ihrer Mutter. Weinend hielten sie einander fest, beide fühlten sich erbärmlich.
    Leah wünschte, sie würde sich getröstet fühlen, aber das tat sie nicht. Sie wollte sich sicher fühlen, aber auch das tat sie nicht. Sie fühlte sich immer noch verlassen, und das machte ihr von allem am meisten Angst.

32
    »Hat es Ihnen beim ersten Mal noch nicht gereicht?« Morino,

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