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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Moment, in dem sie um Hilfe bitten müsste. Es war der Moment, in dem sie Mendez anrufen und ihm die Rolle des Beschützers übertragen müsste. In dem sie Bump Bristol anrufen und zulassen müsste, dass er zu ihrer Rettung herbeieilte. Es war der Moment, in dem sie vielleicht Greg Hewitt noch einmal benutzen sollte, den einzigen Mann, mit dem sie während der letzten beiden Jahre geschlafen hatte – wenn sie es über sich gebracht hätte, ihm noch einmal ins Gesicht zu schauen.
    Sie war so müde. Sie erinnerte sich nicht daran, in dieser Woche eine Nacht durchgeschlafen zu haben. Der Schlafmangel forderte seinen Tribut, geistig und seelisch. Dennoch wusste sie, dass sie auch diese Nacht nicht zur Ruhe kommen würde. Bei dem Gedanken wurde sie von einem Gefühl von Verzweiflung und Panik überfallen.
    So sinnlos die Frage auch war, sie ließ sie dennoch nicht los: Warum? Warum? Warum?
    Warum Leslie? Warum ihre Familie? Warum sie? Warum hörte es nicht auf? Warum konnte sie nicht aufgeben? Warum fühlte sie sich so schuldig bei dem Gedanken?
    Sie war es so leid, sich aufzuregen, wütend und verängstigt zu sein. Es war körperlich, geistig und emotional erschöpfend. Das Gewicht lastete zentnerschwer auf ihr. Jede Zelle ihres Körpers schien mit Blei gefüllt zu sein. Sie wusste nicht, wie sie aufstehen und einen Schritt tun sollte. Sie wusste nicht, warum sie nicht einfach zusammenbrach.
    Weil sie nicht konnte. Weil sonst niemand da war, um ihre Aufgabe zu übernehmen. Sie musste aufstehen. Sie musste tun, was getan werden musste. Sie musste sich davon überzeugen, dass das Haus sicher war und dass sie vor ihrem unerwünschten Beobachter geschützt waren.
    Hast du mich vermisst?
    Sie erhob sich, ging zu ihrer Handtasche auf dem blauen Tischchen und nahm die Walther heraus. Die Waffe fühlte sich auf einmal sehr schwer an. Sie wusste nicht, ob sie überhaupt die Kraft hatte, die Hand zu heben, aber dennoch ging sie zur Küchentür und überprüfte die Schlösser. Sie überprüfte die Türschlösser, die Fensterschlösser.
    Sie erwartete fast, dass Ballencoa sie durch die Scheiben anstarrte. Sie sah ihn vor sich, wie er draußen stand, sein langes, schmales Gesicht ausdruckslos, seine Augen mit den schweren Lidern so schwarz und leer wie die Nacht.
    War er hier? Oder bildete sie sich all diese Dinge ein und glaubte nur, dass sie real waren? Oder war er tatsächlich da, und sie versuchte, sich einzureden, dass sie sich alles nur einbildete? Wie sollte sie das entscheiden können? Der Kopf tat ihr vom vielen Nachdenken weh.
    Mit klopfendem Herzen lief sie noch einmal durchs Haus, überprüfte jede Tür, jedes Fenster. Er könnte um das Haus herumgehen, immer eine Tür vor ihr. Er könnte durch die letzte Tür getreten sein, bevor sie sie erreichte.
    Hast du mich vermisst, Lauren?
    Sie konnte seine Stimme hören, so als stünde er direkt neben ihr, flüsterte ihr die Worte ins Ohr, sein Mund so nah, dass die Hitze seines Atems ihr die Haut verbrannte.
    Sie neigte den Kopf und rieb ihr Ohr an der Schulter, um die Feuchtigkeit wegzuwischen.
    Hast du mich vermisst, Lauren?
    »Du Schwein.«
    Nein?
    »Nein. Ich hab dich nicht vermisst. Ich vermisse die schöne Tochter, die du mir weggenommen hast. Ich vermisse den Ehemann, den ich geliebt habe, der ein Teil von mir war. Ich vermisse die Familie, die ich deinetwegen für alle Zeiten verloren habe. Ich vermisse mich.«
    Du hast mich vermisst. Du willst mich. Deshalb bist du hier.
    »Ich hab dich nicht vermisst«, rief sie verbittert. »Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!«
    Sie wollte, dass er verschwand. Sie wollte, dass er tot war. Sie hob die Hand, richtete die Waffe auf seine Brust und drückte den Abzug.
    Der Knall, den sie hörte, klang fast so, als würde ihre Tochter MOM! rufen.
    » MOM !«
    Leslie . Leslie rief Lauren. Ihre Tochter brauchte sie.
    »Wo ist sie?«, rief sie. »Wo ist sie, du Schwein!«
    Er sah mit seinen leeren Augen an ihr vorbei, und ein reptilienartiges Lächeln kroch über seine Lippen. War das ein Trick?
    Schnell drehte sie sich um, den Arm noch ausgestreckt, die Waffe in der Hand.
    » MOMMY , NEIN !«
    Leah .
    Ihre Tochter sah sie mit einem zutiefst erschreckten, traurigen, verlorenen Ausdruck an. Ihre Mutter hatte gerade eine geladene Waffe auf sie gerichtet.
    Leah wachte von den Schreien ihrer Mutter auf – Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!
    Erschreckt setzte sie sich in ihrem Bett auf, ihr Herz schlug wie eine große

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