Schattennaechte
Sorte von Männern, für die eine Eroberung gleichbedeutend mit Kontrolle ist. Offenbar hielt er sich für dermaßen toll, dass er dachte, ich würde ihm verfallen, und sah in uns so was wie eines dieser Pärchen in einem billigen Fünfzigerjahre-Krimi.
Ich glaubte das nicht. Ich wollte das nicht. Und ich wollte ihn nicht. Seit dem College war ich mit keinem anderen Mann als meinem Ehemann zusammen gewesen. Ich hatte es auch gar nicht gewollt. Was ich wollte, war Roland Ballencoas Adresse, und niemand außer ihm konnte sie mir besorgen.
Der Zweck heiligt die Mittel.
Ich verbrachte eine Nacht mit einem Mann, den ich nicht mochte und noch viel weniger begehrte, und mein Körper hinterging mich, reagierte gegen meinen Willen, gierig nach einer Form von Erleichterung, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich sie brauchte. Ich hasste Greg Hewitt dafür. Mich selbst hasste ich noch mehr.
Greg Hewitt beschaffte mir Roland Ballencoas Adresse in Oak Knoll. Am Tag darauf feuerte ich ihn.
35
»Onkel Tony! Onkel Tony!«
Mendez grinste, als die beiden kleinen Leones auf ihn zugestürmt kamen. Er beugte sich nach unten, fing Haley auf und hob sie aus der Gefahrenzone, als Antony ungebremst gegen ihn rannte.
»Hallo, ihr Racker!«
»Ich bin kein Racker!«, protestierte Haley. »Ich bin ein Mädchen!«
»Du bist kein Mädchen«, sagte Mendez, »du bist eine Prinzessin!«
Haley strahlte.
Antony sprang in die Luft und führte seinen gefährlichsten Ninja-Kampftritt vor. »Und ich bin ein Junge!«
Mendez fuhr seinem Patensohn durch die dunklen Locken. »Aber sicher, Sportsfreund.«
»Onkel Tony, wir waren im Zoo in Santa Barbara!«, sagte Haley aufgeregt. »Ich habe eine Giraffe bekommen und Antony einen Gorilla. Keine echten, sondern aus Stoff.«
Sofort begann Antony, durch die Diele zu hopsen und Affenlaute auszustoßen.
»Toll!«, sagte Tony. »Was habt ihr denn sonst noch für Tiere gesehen?«
»Zebras und Leoparden, und ich habe zusammen mit Daddy eine Giraffe gefüttert, und sie hat mich abgeleckt! Das war echt eklig!«
Mendez lachte. Haley Leone hatte sich zu einem entzückenden, lebhaften kleinen Mädchen entwickelt – kein Vergleich mit dem verschreckten Wesen, das sie bei ihrer ersten Begegnung gewesen war. Mit vier Jahren hatte sie mit ansehen müssen, wie ihre Mutter erstochen wurde. Anschließend war die Kleine bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und vermeintlich tot liegen gelassen worden. Als Mendez sie im Krankenhaus das erste Mal gesehen hatte, war sie gerade aus dem Koma aufgewacht und schrie wie am Spieß. Erst Anne hatte es geschafft, sie zu beruhigen.
Jetzt kam Anne Leone lächelnd in die Diele und wischte sich die Hände an einem gelben Küchenhandtuch ab.
»Du kommst gerade richtig«, sagte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. »Sie haben ihr Mittagsschläfchen gehalten und sind jetzt putzmunter.«
»Ich mache kein Mittagsschläfchen, Mommy«, verbesserte sie Haley. »So was machen nur Babys wie Antony.«
»Ich bin kein Baby, ich bin ein Löwe!«, erklärte Antony. Er gab ein bedrohliches Brüllen von sich und schlug mit imaginären Tatzen in die Luft.
»Du musst zum Essen bleiben«, sagte Anne. »Vince grillt.«
»Jawohl, Ma’am«, sagte Mendez und setzte Haley ab. »Wo steckt der Chef denn?«
»Draußen am Pool. Komm, ich hol dir was zu trinken.«
Sie scheuchte ihren Jüngsten vor sich her und rief ihm eine Ermahnung zu, als er unvermittelt hinter einer getigerten Katze herzujagen begann, die fauchend die Flucht ergriff.
Mendez hatte Anne bei den Ermittlungen zu den Sekundenklebermorden kennengelernt. Damals war sie noch Lehrerin an der Grundschule von Oak Knoll gewesen. Sie war hübsch, auf eine zurückhaltende Art stark und äußerst fürsorglich ihren Schülern gegenüber, und er hatte sich vorgenommen, mit ihr auszugehen, sobald der Fall abgeschlossen war. Doch dann war Vince aufgetaucht und hatte Anne im Sturm erobert – und er wurde es nie müde, diese Tatsache Mendez unter die Nase zu reiben.
Auf den ersten Blick waren sie ein sehr ungleiches Paar. Mit seinen mittlerweile zweiundfünfzig Jahren war Vince zwanzig Jahre älter als Anne, aber sie waren Seelenverwandte, und von allen Paaren, die Mendez kannte, führten sie die glücklichste Ehe. Wenn er sie und ihre immer größer werdende Familie beobachtete, musste er zugeben, dass er neidisch war.
»Wenn ich es richtig verstanden habe, haben wir eine neue gemeinsame Bekannte«,
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