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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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auf den Geschichten basierte, die sie von anderen Pferdepflegern gehört hatte, Informationen, bei denen sich Fakten mit Gehässigkeiten mischten. Das Pferdegeschäft ist stark inzestuös. Innerhalb der einzelnen Disziplinen (Springreiten, Dressur usw.) kennt jeder jeden und die eine Hälfte hat mit der anderen geschlafen oder sie übers Ohr gehauen. Groll und Eifersucht sind reichlich vorhanden. Der Klatsch kann bösartig sein.
    Aber nachdem ich die Geschichte aus Dean Sorens Mund gehört hatte, wusste ich, dass sie wahr war.
    »Traurig, wenn jemand wie der im Geschäft bleiben kann«, sagte ich.
    Dr. Dean neigte den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Die Leute glauben, was sie glauben wollen. Don ist ein charmanter Bursche und verdammt gut auf dem Parcours. Gegen Erfolg kann man alles Mögliche vorbringen, Elena, aber man gewinnt nie. Besonders nicht in diesem Geschäft.«
    »Seans Pferdepflegerin hat mir erzählt, dass Jade letztes Wochenende ein Pferd verloren hat«, sagte ich.
    »Stellar.« Dr. Dean nickte. Seine Magengeschwürpatientin war zu unserer Ecke der Koppel gekommen und streckte ihrem Retter schüchtern die Nüstern entgegen, wollte unter dem Kinn gekrault werden. »Angeblich hat er die Schnur des Ventilators über seiner Box durchgebissen und einen Stromschlag gekriegt.«
    Die Stute kam näher und streckte den Kopf über das Gatter. Abwesend kraulte ich sie am Hals, meine Aufmerksamkeit weiter auf Dean Soren gerichtet. »Was glauben Sie?«
    Mit seiner knotigen Hand berührte er den Kopf der Stute, so sanft, als wäre sie ein Kind.
    »Ich glaube, dass der gute Stellar mehr Herz als Talent hatte.«
    »Glauben Sie, Jade hat ihn umgebracht?«
    »Was ich glaube, spielt keine Rolle«, antwortete er. »Es kommt nur auf das an, was sich beweisen lässt.« Er sah mich mit diesen Augen an, die so viel von mir gesehen hatten und immer noch sehen konnten. »Was meint die Freundin deiner Freundin dazu?«
    »Nichts«, antwortete ich mit flauem Gefühl im Magen. »Sie scheint vermisst zu werden.«
     
    Am Montagmorgen hätte Donjades Pferdepflegerin Erin Seabright ihre kleine Schwester zu einem Ausflug an den Strand abholen sollen. Sie war nicht erschienen und hatte seither keinen Kontakt zu ihrer Familie aufgenommen.
    Ich ging in den Zimmern des Gästehauses auf und ab und kaute an dem ausgezackten Rand meines Daumennagels. Das Büro des Sheriffs war an der Besorgnis eines zwölfjährigen Mädchens nicht interessiert gewesen. Es war fraglich, ob sie etwas über Don Jade wussten oder auch nur ein Interesse an ihm hatten. Erin Seabrights Eltern wussten vermutlich auch nichts über Jade, sonst wäre Molly nicht die einzige Seabright gewesen, die Hilfe gesucht hätte.
    Die zehn Dollar, die das Mädchen mir gegeben hatte, lagen auf dem Schreibtisch neben meinem Laptop. In dem zusammengefalteten Schein steckte Mollys kleine selbst gemachte Visitenkarte: ihr Name, ihre Adresse und eine gestreifte Katze auf einem Adressaufkleber, der wiederum auf ein rechteckiges blaues Kartonstück geklebt war. Unten auf der Karte stand ihre Telefonnummer.
    Don Jade hatte mit einer seiner Angestellten geschlafen, als das Pferd Titan vor einem halben Jahrzehnt gestorben war. Ich fragte mich, ob es eine Gewohnheit von ihm war, mit seinen Pferdepflegerinnen zu schlafen. Er wäre nicht der erste Trainer mit diesem Hobby gewesen. Mir fiel ein, wie Molly meinem Blick ausgewichen war, als sie behauptete, ihre Schwester habe keinen Freund.
    Besorgt und nervös wandte ich mich vom Tisch ab. Ich wünschte, ich wäre nicht zu Dr. Dean gegangen. Ich wünschte, ich hätte all das über Don Jade nie erfahren. Mein Leben war schon kompliziert genug, und weiteren Ärger konnte ich nicht brauchen. Das Chaos in meinem Leben musste nicht auch noch durch Molly Seabright und ihre Familienprobleme vergrößert werden. Eigentlich sollte ich mich damit beschäftigen, dieses Chaos in den Griff zu bekommen, innere Fragen zu beantworten, mich selbst zu finden – oder mich der Tatsache zu stellen, dass dort nichts von Wert zu finden war.
    Wenn ich schon mich selbst nicht finden konnte, wie sollte ich dann jemand anders finden? Ich wollte nicht in dieses Kaninchenloch fallen. Die Arbeit mit den Pferden war zu meiner Rettung gedacht. Ich wollte nichts mit Leuten wie Don Jade zu tun haben, Leuten, die ein Pferd durch einen Stromschlag töteten, wie Stellar, oder ihnen Tischtennisbälle in die Nüstern stopften und die Luftzufuhr abschnitten, wie bei Warren

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