Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
ihrer beiden Brüder.
» Pass nur gut auf, diese Fischer legen gefährliche Netze aus«, erwiderte Ela mit einem Lächeln. Sie wusste, warum Asgo unbedingt zum See wollte.
» Keine Ahnung, was du meinst.«
» Oh, gar nichts, aber wenn du zufälligerweise in die Nähe einer gewissen Fischerhütte kommen solltest, in der zufällig ein bestimmtes Mädchen wohnt, dann sieh, ob du frischen Fisch mitbringen kannst. Aber nicht wieder Aal, den mag Vater nicht.«
» Meister Hegget hat mich gestern gefragt, ob ich nicht mal mit raus auf den See fahren will. Er will mir zeigen, wie sie das mit den Netzen machen.«
Elas Lächeln erstarb. War das mit Meister Heggets Tochter etwa so ernst? Er war doch erst fünfzehn. » Fischer müssen immer früh raus, Asgo, und sie riechen entweder nach Fisch oder nach Räucherkammer.«
» Aber wir riechen immer nach Holzkohle, wo ist da der Unterschied?« Seine Stimme war scharf, selbstbewusst.
Ela fühlte sich beklommen. Wenn er auf das Boot von Meister Hegget ging, die Netze auswarf, und wenn ihm das gefiel, weil seine Ria immer in der Nähe war – was sollte ihn dann noch auf dem Hof halten? War ihm bewusst, dass er daranging, den Hof und damit auch sie zu verlassen? » Du kannst nicht schwimmen.«
» Kann ich wohl«, sagte Asgo und war plötzlich wieder der trotzige Knabe, den sie großgezogen hatte. Er war noch lange nicht alt genug, um zu heiraten. Aber irgendwann schon – was sollte ihn hier noch halten? Und dann wäre sie mit Stig und ihrem Vater allein.
» Ich glaube, er kommt«, meldete Stig, der jüngere der beiden, von draußen.
» Wo sind deine Schuhe?«, fragte sie missbilligend, obwohl sie die Antwort kannte.
» Vater hat sie mitgenommen. Zum Schuhmacher. Aber es ist auch gar nicht so kalt.«
» Ist es schon. Zieh Vaters Filzpantoffel an, wenn du schon unbedingt da draußen herumrennen musst!«
Maulend gehorchte ihr Bruder, und Ela trat seufzend vor die Tür. Der kleine Hof der Grams’ lag inmitten eines Wäldchens von Buchen und Erlen, dem letzten Überbleibsel des Waldes, der sich einst unterhalb von Atgath erstreckt hatte. Heiram Grams war Nachfahre einer sehr langen Reihe von Köhlern, aber keiner seiner Vorfahren, und nicht einmal er selbst, war so dumm gewesen, die schützenden Bäume vor der eigenen Tür abzuholzen. Ela sah den alten Haam, ihren knochigen Wallach, der den Karren in beachtlicher Geschwindigkeit über den aufgeweichten Weg zog. Er hatte wohl Sehnsucht nach seinem Stall, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Vermutlich hatte das arme Tier wieder die ganze Nacht im kalten Regen stehen müssen.
» Reibst du ihn gleich trocken?«, fragte sie Stig, der mit den zu großen Pantoffeln nach draußen geschlurft kam.
» Klar«, sagte der Knabe. Er war erst zwölf und war vermutlich sogar erleichtert, wenn er sich um den Gaul kümmern durfte, denn das hieß, dass sich seine Geschwister mit ihrem Vater herumschlagen mussten. Ela wusste, dass Stig litt, wenn er seinen Vater so betrunken sah, auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Der alte Haam verlangsamte seinen Schritt und blieb schließlich vor der Hütte stehen. Stig fasste ihn am Halfter und redete beruhigend auf ihn ein. Plötzlich tauchte der Kopf ihres Vaters über der hohen Seitenwand des Kohlenkarrens auf. Sein lockiges Haar hing ihm noch wirrer als sonst im Gesicht. Er stierte sie an, dann rief er: » Helft mir mal eben, Kinder.«
Sie schafften den Fremden zu dritt ins Haus, wobei Heiram Grams eher eine Last als eine Hilfe war, vor allem an der Tür. Sie trugen und schleiften den Bewusstlosen durch die Stube in einen der beiden rückwärtigen Verschläge – jenem, in dem die Männer der Familie ihr Lager hatten – und betteten ihn auf einen der Strohsäcke. Kaum waren sie ihre Last los, als auch Heiram schon niedersank, auf sein Lager fiel und sagte: » Asgo, mein Junge, sei so gut und hol mir den Krug.«
» Warte, Asgo«, hielt Ela ihn auf. » Vielleicht sagst du uns erst, wer dieser Fremde ist, Vater?«
» Was weiß ich. Geh schon, mein Junge, dein Vater hat Durst.«
Ela nickte ihrem Bruder knapp zu. Die Stimme ihres Vaters hatte einen zornigen Unterton angenommen. Es war besser, ihm zu geben, was er verlangte. So wie er aussah, würde er vermutlich gleich einschlafen und nicht vor dem hohen Mittag zu sich kommen. Sie versuchte auch gar nicht erst, ihn dazu zu überreden, sich vorher zu waschen, obwohl er schwarz vom Kohlenstaub des Karrens war. » Er sieht nicht
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