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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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oder?
    Evelyn schloss die Lider.
    Nein, natürlich kann sie das nicht. Woher auch. Das Ganze hat mich mehr geschwächt, als ich es vermutet habe.
    Ihr Kopf schwirrte, als hätte sie zu viel von dem übersüßen Sherry ihres Vaters getrunken. Fast schmeckte sie die zähe Flüssigkeit auf der Zunge, wie der Likör ihren Rachen hinunterglitt, ihr Inneres erwärmte und die Kälte vertrieb. Ihr wurde schwindelig.
    » Adiós «, hauchte es, und als das Wort verklungen war, verschwand auch der Zauber, der Evelyn in seinen Fängen gehalten hatte.
    Evelyn riss die Augen auf. »So einfach kommen Sie mir …«
    Sie befand sich allein im Raum. Und der Mann - nichts als ein Traum? Eher ein Alptraum. Vielleicht sollte sie sich zwicken - und schon würde sie Doktor Kehrfeld im Aufenthaltsraum gegenübersitzen, zwei Tassen mit lauwarmem Kaffee auf dem Tisch, und - was hatte er gerade erzählt? - sie würde sich entschuldigen müssen, eingenickt zu sein.

    Doch sie zwickte sich nicht. Wie ferngesteuert ging sie zurück in die Notaufnahme, zu ihrem Tresen, hinter dem sie sich immer so sicher fühlte. Er war noch hier, dieser seltsame Mann, irgendwo hier im Krankenhaus. Das konnte sie spüren, genau wie seine Gier nach dem Atem des Lebens, die plötzlich zu ihrer eigenen wurde.
    Sie hatte gerade die Formulare sortiert, um sich wenigstens eine Beschäftigung zu geben, als Doktor Lühne auf sie zukam und vor ihr stehen blieb.
    Er sagte etwas.
    Mit einer Verzögerung erreichten seine Worte ihr Hirn: »Doktor Kehrfeld ist soeben gestorben.«

2. Kapitel
    E velyn brauchte eine kleine Ewigkeit, um die Nachricht zu verarbeiten. Die Notaufnahme konfrontierte sie oft genug mit dem Tod. Aber jemanden zu verlieren, mit dem man Tag für Tag zusammenarbeitete, den man mochte und der einem nahestand, bedeutete etwas anderes.
    »Woran?«, stieß sie kaum hörbar hervor.
    Doktor Lühne nahm seine Nickelbrille ab. Ohne sie erinnerte sein Gesicht an einen grauen Reiher.
    »Wir vermuten die Beulenpest.« Er setzte die Brille wieder auf, schob die Hände in die Taschen seines Kittels, zog sie dann heraus und knetete die langen, knochigen Finger.
    Bernulf Kehrfeld war tot. Tot . Evelyn bekam kaum Luft, um die nächsten Worte über die Lippen zu bringen.
    »Beulenpest? Sind wir etwa im Mittelalter? Außerdem verläuft keine Beulenpest dieser Welt so schnell.« Verzweifelt suchte sie nach Argumenten, warum das nicht stimmen konnte. Nicht stimmen durfte.
    »Wir haben die Proben zur Analyse geschickt. Bald werden wir Genaueres wissen.«

    Evelyn starrte auf seine Finger, als wären sie das Einzige, was sie noch in der Realität hielt. »Und was ist mit diesem Mann? Ich bin mir sicher, das Ganze hat etwas mit ihm zu tun.«
    Die Finger unterbrachen ihr sinnloses Spiel. »Mit welchem Mann?«
    »Dem mit dem Motorradunfall.«
    »Wie meinen Sie das? Er ist während der Operation verstorben.«
    Was, dort auch? Die Bemerkung lag ihr bitter auf der Zunge. Doch die kleinen Augen des Arztes, die in der Tat an die eines Vogels erinnerten, blickten ihr ausdruckslos entgegen. Er meinte es ernst - noch mehr: Er glaubte selbst daran.
    Wort für Wort presste sie hervor: »Ist er ganz bestimmt nicht.«
    Schließlich hatte sie ihn gesehen. Putzmunter, teilweise widerlich-arrogant und, zugegebenermaßen, nicht ganz ohne Charme. Wobei Letzteres sie nicht einmal sich selbst eingestehen würde. Sonst müsste sie an ihrer Psyche zweifeln, wenn sie einen … Mörder? … charmant fände.
    Doktor Lühne runzelte die Stirn. »Doch, aber nicht an Beulenpest. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn er es überlebt hätte. Sein Motorrad hat es …«
    »In alle Bestandteile zerlegt. Ja, ja, ich weiß, verflucht nochmal!«
    Der Arzt seufzte und legte seine Hände zusammen. »Es war eine schwere Schicht für uns alle. Machen Sie
für heute Schluss. Ich habe bereits Ihre Vertretung angefordert.«
    Evelyn stützte sich mit den Ellbogen am Tresen ab und grub die Finger in ihr Haar. Doktor Lühne musste das als Zustimmung gedeutet haben, denn er nickte und schlurfte mit einem »Erholen Sie sich gut« davon.
    Sie kaute auf ihrer Lippe und ließ die neuerlichen Geschehnisse Revue passieren. War sie verrückt geworden? Das wäre sicherlich eine naheliegende und vor allem die einfachste Erklärung. Aber einfach hatte sie es noch nie gemocht.
    Du wirst dich nicht an mich erinnern , kamen ihr die Worte des Mannes in den Sinn. Sie fröstelte. Alles war real, egal wie unmöglich es klang! Außerdem konnte

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