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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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hatte keine Ahnung, aus welchem Grund eine der Mächtigen sie aufsuchte, beschloss jedoch, ihre Unwissenheit nicht preiszugeben. Beim Gedanken daran, neben einer Gottheit zu sitzen, wurde ihr flau im Magen - Empfindungen, die allein ihr, Evy, gehörten. Sie klammerte sich an das Gefühl und erlaubte der Hexe in ihr nicht, die Oberhand zu gewinnen.
    Oya nahm das Papayastückchen, das am Rand ihres Glases steckte, und schob es zwischen ihre vollen Lippen. Eine Weile lutschte sie daran, als gäbe es nichts Wichtigeres im Universum. Dann, als hätte sie sich besonnen, sprach sie: »Die bösen Zungen behaupten, Kali, unsere Kalima, die göttliche Mutter der Zerstörung und der Erneuerung, die Hüterin des Gleichgewichts, die Herrscherin über die Zeit …«
    »Versuchst du, mir zu schmeicheln?« Evelyn musste sich bremsen, um zur Stärkung nicht an ihrem Martini zu nippen.
    Die Augen der Frau glänzten wie Erdöl. Spöttisch, wie es Evelyn vorkam. »Die bösen Zungen behaupten, dass Kali nicht mehr die Kali ist, die wir lieben und fürchten gelernt haben. Dass die Welt herrenlos geblieben ist und niemand mehr über die Dämonen des Schattenreiches wacht.«
    Evelyn hob die Schultern. »Nun, du siehst, ich bin noch da.«

    Worauf wollte die Hexe hinaus? Irgendetwas führte die Mächtige im Schilde.
    »Das stimmt.« Oya beugte sich ein Stück zu ihr. »Aber es gibt Gerüchte, du wärst machtlos geworden, nachdem du aus Versehen den Körper einer Nachzehrerin angenommen hast. Stimmt es, dass das Mädchen noch nicht tot war und du deshalb ihren Fluch nicht sehen konntest? Man erzählt sich, du hättest versagt, als du versucht hast, ihre Seele zu töten. Weil ihre Seele durch den Fluch unsterblich war. Einige behaupten, ihr seid miteinander verschmolzen. Zu einem neuen Wesen, das keineswegs unsere Kalima ist.«
    »So?« In Evelyns Geist fügten sich die Puzzleteile zusammen. Die Verschmelzung hatte ihr die Erinnerungen geraubt. Die Erinnerungen an die Existenz als Göttin und an das Leben als Metamorph-Anwärterin und Fast-Nachzehrerin. Geblieben war ihr nur die menschliche Seite. Evelyn Behrens, die Krankenschwester. Bevor Adrián aufgetaucht war und ihre Vergangenheit heraufbeschworen hatte. Deshalb hatte sie danach zwischen ihrem Metamorph- und Nachzehrer-Zustand geschwankt. In einem noch lebendigen Körper, aber durch die Hexe getötet, war sie beides. Bis sie ihr Leben, ihre Metamorph-Seite gegen Adriáns Rettung im Zwinger eingetauscht hatte.
    Wieder traf sie das Aufblitzen der schwarzen Augen. »Wenn das alles nicht stimmt, wirst du sicherlich zu uns zurückkehren, nicht wahr?«
    Evelyn schluckte. Nein, ihren Platz hatte sie bereits
gefunden, und er war an Adriáns Seite. Gegen keine Macht der Welt würde sie ihn eintauschen wollen. Ihre Hexennatur würde tief im Verborgenen bleiben, damit sie mit dem Mann, den sie liebte, das Glück erfahren konnte.
    Oya hob eine Augenbraue. »Dich hält doch nicht wirklich etwas hier zurück? Oder … oder vielleicht stimmen die Gerüchte?«
    Evelyn schwieg.
    Mit Wohlwollen quittierte die Frau die Stille. »Unruhen und Unmut herrschen bei den Mächtigen. Jeder ist gewillt, deinen Platz einzunehmen und die Menschen das Fürchten zu lehren. Aber wie ich sehe, sind meine Sorgen nichtig.« Sie legte einen Zwanziger auf den Tresen und rutschte vom Barhocker. »Du hast alles unter Kontrolle.«
    Auf dem Boden erklang das Zockeln der Absätze.
    »Warte!« Evelyn sprang auf, doch schon verließ die Frau das Lokal und tauchte in den schwarzen Nebel.
    Die Hexe war fort, doch Evelyns Unbehagen war stärker denn je. Die Menschen das Fürchten lehren? Was führten die Mächtigen im Schilde, wenn sie, Kali, nicht mehr da war, um das Gleichgewicht zu halten? Während sie dastand, hörte Evelyn den Ruf der Schatten und fühlte die brodelnde Finsternis in sich. Nein. Die Hexe in ihr würde nicht aufleben. Nie mehr.
    Sie kehrte zu ihrem Platz zurück, verstört und zitternd vor Anstrengung, die es sie kostete, die Dunkelheit zu bekämpfen.

    »So allein, hübsche Frau?« Der Anzugträger kletterte auf den Hocker neben sie, als gäbe es jeden Tag zu sehen, wie eine Frau im schwarzen Nebel verschwindet.
    »Der nächste Martini geht auf mich«, fuhr er selbstsicher fort.
    Evelyn wollte ihn wegscheuchen, doch sobald sie das Leuchten seiner Aura erfasste, meldete sich der Hunger in ihr. Schließlich war sie deswegen hier. Und sie hatte Adrián versprochen, ihm etwas mitzubringen. Wenn sie ihre

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