Schattenwandler 01. Jacob
als er ein paar respektlose Gedanken aufgefangen hatte, die aus einem Fenster fünf Stockwerke über ihm zu ihm gedrungen waren.
Das Schicksal hätte es nicht besser treffen können für ihn.
Er hatte auch nie ernsthaft an seinen Gefühlen für sie gezweifelt. Er zweifelte an sich selbst. War er wirklich der, den sie brauchte? Konnte ein Mann, der ein so einsames Leben gelebt hatte, der so viel Zeit mit seiner Arbeit und seiner Verantwortung zugebracht hatte, auch nur die leiseste Ahnung haben, wie man mit einer so lebendigen und liebevollen Frau umging?
„Isabella, ich habe nie daran gezweifelt, dass ich dich lieben kann.“ Er schob eine Hand unter ihr schweres Haar, um ihren Nacken zu umfassen und sie an sich zu ziehen und ihre Wärme zu spüren. „Ich fürchte nur, dass ich deiner nicht würdig bin, auch wenn ich dich noch so liebe.“
„Das kommt nur daher, dass dir nie jemand gesagt hat, wie viel du wert bist, Jacob. In den letzten vierhundert Jahren hast du doch nur Kritik und Feindseligkeit erlebt.“ Isabella schlang ihre Arme um seine Taille und schmiegte sich an ihn. „Aber jetzt bin ich hier, und ich werde das nicht mehr zulassen. Ich werde dir so viele schöne Dinge sagen, dass du es gar nicht mehr aushältst. Ich schwöre es“, erklärte sie entschieden und drückte ihn noch fester an sich. „Wenn du bei mir bleibst, zeige ich dir, wie ich mir die Liebe immer vorgestellt habe. Bleib bei mir, Jacob.“
Jacob vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und dachte über ihre tiefen Gefühle nach, die ihn so fest umfangen hielten wie ihre Arme. „Gideon hat sich geirrt, kleine Blume“, sagte er heiser. „Deine Fähigkeit, meine Kraft zu schwächen, ist in dir schon zu blühendem Leben erwacht. Ich kann kaum noch sprechen.“
Dann sprich nicht.
Sie legte den Kopf in den Nacken, während sie ihn mit Gedanken überflutete und mit intensiven Bildern, Gefühlen und Wünschen, sodass es ihm die Sprache verschlug. Er beugte sich hinunter und küsste sie leidenschaftlich.
Ich liebe dich, kleine Blume.
Die Stille in der Ratskammer lastete so schwer auf allen, dass Jacob sich fragte, ob die Erdanziehung sich verändert hatte. Alle waren sprachlos, wagten kaum zu atmen. Selbst Ruth, die immer mit einer schnellen Entgegnung bei der Hand war, schwieg.
Allein schon Gideons Anwesenheit hatte die anderen beeindruckt. Und was er ihnen dann zu sagen hatte, noch viel mehr. Jacob konnte sich vorstellen, dass es nicht leicht war, wenn man hören musste, dass die Gattung, die so stolz war auf ihre Reinheit, sich durch ihre ignoranten Vorurteile früher und heute selbst zum Untergang verurteilte. Die Dämonen waren stolz auf ihre Intelligenz und auf ihr Wissen und auf ihre Kultur und auf ihre Macht. Dass ihre Vorfahren zu Gräueltaten fähig gewesen waren, wie man sie immer den „weniger entwickelten“ Menschen vorgeworfen hatte, war sicher sehr schmerzlich, aber es war auch aufschlussreich.
„Es sieht so aus“, brach Noah schließlich die Stille, „als wenn sich die Zukunft unserer Gattung drastisch verändern wird. Der Rat muss über die Auswirkungen noch im Einzelnen sprechen. Im Augenblick darf sich auf gar keinen Fall jemand einem Menschen nähern. Die Gesetze, die unser Verhältnis zu ihnen geregelt haben, werden in Kraft bleiben, bis wir sie neu fassen können. Der Vollstrecker wird weiterhin jeden bestrafen, der sich nicht beherrschen kann. Ist das klar?“
„Klar und weise“, stimmte Elijah ihm zu. „Ich werde Jacob unverzüglich meine Krieger zur Verfügung stellen, falls Bedarf besteht.“
„Damit wären wir bei einem Thema, um das wir uns sofort kümmern müssen“, sagte Noah. „Die Druidin. Isabella.“
Jacob versteifte sich auf seinem Stuhl. Noah hatte es nicht mit ihm abgesprochen, dass sie in dieser Runde über Isabella reden würden. Der Vollstrecker war auf alles vorbereitet, was Gideon zu sagen hatte, aber er hatte keine Ahnung, worauf der König hinauswollte.
„Jeder hier im Raum ist verpflichtet, für Isabellas Sicherheit und für ihr Wohlergehen zu sorgen. Diese Frau hat uns Heilung gebracht. Das müssen wir anerkennen, und wir müssen ihr Respekt zollen für das, was sie für uns getan hat. Sie hat die Prophezeiung entdeckt und immer nur an uns gedacht. Obwohl wir sie bis jetzt nicht besonders freundlich behandelt haben.“ Noahs Blick glitt zu Ruth und zu ein paar anderen, und alle hatten den Anstand, die Augen zu senken.
„Die Prophezeiung hat uns Isabellas Zukunft dargelegt,
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