Schattenwandler 04. Damien
gefolgt von der kleinen Gruppe Frauen, die Elizabeth als Hofdamen dienten, doch beide Herrscher beachteten ihre Anwesenheit nicht.
„Scherz und Charme beiseite, Damien“, sagte sie beiläufig, „was ist der eigentliche Zweck Eurer Anwesenheit?“
„Es gibt keinen. Ich bin nur auf Reisen, um mir die Welt anzuschauen.“
„Und was ist mit Eurem Volk? Mit Eurer Heimat? Brauchen Eure Untertanen ihren Prinzen nicht?“
„Natürlich“, antwortete er leichthin. „Doch mein Reich ist nicht wie das Eure. Meine Kultu r … nun, sie unterscheidet sich sehr von der Euren. Ich kann es mir erlauben, hin und wieder nicht da zu sein.“
„Da habt Ihr großes Glück“, bemerkte sie und versuchte, sich den Neid, den sie tatsächlich empfand, nicht anmerken zu lassen.
Damien, der sehr hochgewachsen war, blickte auf die Königin herunter, ein leichtes Lächeln im Mundwinkel. Er begab sich nicht allzu oft in solche Gesellschaft, aber manchmal hörte er interessante Dinge über das Geschehen in dieser Welt und fühlte sich dazu angeregt, sie selbst in Augenschein zu nehmen.
Die junge englische Königin gehörte dazu. Ihre Zukunft war vielversprechend und hielt einiges bereit, das selbst ihre eigenen Erwartungen übertreffen konnte. Es wäre eine Schande, diese Frau außer Acht zu lassen und sich nicht ein genaues Bild von ihr zu machen. Auch hatte er nicht gelogen, als er den Wunsch nach Vergnügungen geäußert hatte. Langeweile brach sich manchmal zu leicht Bahn. Dieses kleine Fleckchen Erde übte einen großen Reiz aus. Allein schon die finsteren politischen Machenschaften am englischen Hof hielten einen in Atem. Es gab so viele Intrigen und Verschwörungen, dass es einer ziemlichen geistigen Anstrengung bedurfte, um mitzuhalten.
Damien liebte gut inszenierte Intrigen, und es war stets ein großer Spaß, darüber zu spekulieren, wie sie ausgehen würden. Manchmal war es ein noch größerer Spaß, den Ausgang selbst zu beeinflussen.
„Nun, meine Dame, ich fürchte, ich muss Euch um Verzeihung bitten“, sagte er, und seine dunklen Augen und seine Lippen lächelten klug und übten eine große Anziehungskraft aus.
Elizabeth musste zugeben, dass der Mann ausgesprochen schön war. So wie man eine Frau als hübsch bezeichnen konnte, war er auf jeden Fall schön. Er war groß, bestimmt über einen Meter dreiundachtzig, hatte schwarze Haare und einen ebenmäßigen blassen Hautton, der weder Schminke noch Puder benötigte, um so durchscheinend zu wirken, wie es gerade Mode war. Weder Schnauzer noch Bart waren fettig, und er trug beides nicht lang oder zwirbelte die Enden, wie es üblich war. Stattdessen waren sie genauso sauber wie sein Haar, das er im Nacken mit einem blauen Band zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, das zu dem blauschwarzen Schimmer seiner Adern passte.
Welche Stellung er auch einnehmen mochte in seiner Welt, er war anscheinend kein Monarch, der faul auf seinem Thron saß. Sein Körper war gestählt wie bei einem Kämpfer, der ein mächtiges Schwert zu führen gewohnt war. Einen so kraftvollen Oberkörper bekam man nicht von Natur aus mit, und seine breiten Schultern konnten wohl das Gewicht der Welt tragen. Der Oberkörper lief zu den schmalen Hüften hin zusammen, nirgendwo war überflüssiges Fett, und er hatte lange, geschmeidige Beinmuskeln, die unter dem edlen Stoff seiner eng anliegenden Kniehosen gut zu erkennen waren. Das brachte selbst eine Königin dazu, sich in andächtiger Bewunderung über die Lippen zu lecken. Elizabeth lachte über sich selbst; zum Glück konnte der Mann neben ihr ihre Gedanken nicht lesen.
„Ich verbiete Euch zu gehen“, hörte sie sich selbst sagen, weil sie ungern auf die Gesellschaft des einzigen Mannes in England verzichten wollte, der nichts anderes von ihr erwartete als ihre unterhaltsame Gesellschaft. Es war ein ungeheurer Luxus, wie sie zugeben musste, doch sie war die Königin, und sie konnte jeden Luxus haben, den sie sich wünschte.
Unglücklicherweise war sie nicht seine Königin.
„Normalerweise, liebste Dame, würde ich es mir selbst nicht gestatten zu gehen. Allerdings muss ich heute Abend auf die Gesellschaft Eurer Majestät verzichten, um mich, wie es das Schicksal will, um Staatsangelegenheiten zu kümmern. Ich entschuldige mich untertänigst.“
„Nein, Damien, dazu besteht kein Anlass. Wir Staatslenker sind häufig eher die Sklaven unseres Volkes als dessen Anführer. Geht! Doch Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr morgen Abend zurückkehren
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