Schattenwandler 05. Noah
ihres Heims hörte, das sie mit ihrem Mann Kane teilte. Ihre rötlichen Brauen zogen sich zusammen, und sie neigte den Kopf. Sie legte das Buch weg, in dem sie gelesen hatte, und stand auf.
Für die Wesen, mit denen sie verkehrte, war eine so banale Höflichkeit wie Anklopfen ungewöhnlich. Die Dämonengemeinschaft, aus der ihr Mann stammte, hatte keinen Sinn für Privatheit, wie die Menschen ihn hatten. Wenn sie bedachte, dass die Freunde und die Familie ihres Mannes im Grunde die Einzigen waren, mit denen sie noch Umgang hatte, war das Anklopfen mehr als verwirrend.
Es war beunruhigend.
Es bedeutete Gefahr, die in solcher Gestalt kam. Dinge, die schrecklich normal erschienen, die jedoch nicht normal waren, kündigten manchmal ganz besondere Gefahren an.
Die Dämonen lagen momentan, wie schon mehrmals in der Vergangenheit, im Streit mit einer Sekte fehlgeleiteter Menschen, die sie jagten, indem sie sich der schwarzen Magie bedienten. Diese Menschen hatten sich vorgenommen, die Welt von allen Schattenwandlern zu befreien: Vampiren, Lykanthropen, Dämonen und Schattenbewohnern … wahrscheinlich würden sie sogar auf die freundlichen, empfindsamen Mistrale Jagd machen, sobald sie von deren Existenz erfahren würden. Alles, was sie zu interessieren schien, war, dass diese Wesen über Mächte verfügten, die sie selbst nicht hatten.
Und davor fürchteten sie sich.
Und Furcht führte stets zu voreingenommenen Handlungen. Da Corrine früher selbst ein Mensch gewesen war, wusste sie sehr wohl, zu welchen grausamen und brutalen Handlungen die Menschen fähig waren, wenn sie mit etwas konfrontiert wurden, was ganz anders war und was sie nicht verstanden. Und um alles noch schlimmer zu machen, hatte vor zwei Jahren eine Frau namens Ruth ihre moralischen Grundsätze und ihre Vernunft hinter sich gelassen und sich mit diesen selbst ernannten Schlächtern zusammengetan. Sie hatte sie mit Informationen versorgt, welche dazu geführt hatten, dass die Dämonen immer verwundbarer wurden. Ruth war nicht aufzuhalten gewesen, vor allem seit dem Tod ihrer geliebten Tochter, für den sie Noah und andere Machthaber verantwortlich machte.
Corrine erschauerte, als sie sich den Angriff auf ihre Schwester Isabella ins Gedächtnis rief, der Isabella und ihrem ungeborenen Kind beinahe das Leben gekostet hätte. Corrine selbst war schon einmal Opfer dieser Mächte geworden, die sie aus ihren eigenen vier Wänden fortgerissen hatten. Verbunden mit den grauenhaften Berichten, über die Kane mit ihr gesprochen hatte, war klar, dass niemand wirklich sicher war, bevor Ruth und ihre Gefährten nicht unschädlich gemacht worden waren.
Ruths Racheakte hatten oft mit einem Klopfen an der Tür begonnen. Kane ermahnte sie fortwährend, es sich gut zu überlegen, bevor sie irgendwohin ging, wo sie seinen Schutzraum verließ. Obwohl er ihr geistig stets nahe war und sich als Geistdämon in Sekundenschnelle zu ihr teleportieren konnte, falls sie ihn brauchte, verspürte sie noch immer eine ungeheure Beklommenheit, wenn sie feststellte, dass sie allein mit etwas Unbekanntem konfrontiert war.
»Corrine?«
Die gedämpfte Stimme erfüllte sie mit Erleichterung und entlockte ihr einen Seufzer. Sie eilte zur Tür, nachdem sie den vertrauten Klang von der anderen Seite vernommen hatte. Sie riss die Tür auf und lächelte, als sie das attraktive Gesicht des Dämonenkönigs sah. Trotz ihres freundlichen Ausdrucks kämpfte sie mit dem Bedürfnis, ihn dafür zu rügen, dass er sie so in Angst versetzt hatte.
Noah lächelte den gertenschlanken Rotschopf an, und wieder einmal stellte er fest, dass sie hauptsächlich aus einem Gewirr von dichten Locken bestand. Sie war größer als ihre Schwester Isabella und schlanker und langbeiniger als die gedrungene und üppige Gestalt seiner kleinen Vollstreckerin. Wenn ihr Verhalten und ihr Bronx-Akzent nicht gewesen wären, hätte Noah nie vermutet, dass sie miteinander verwandt waren.
Noah merkte ihr die Erleichterung an und spürte die kinetische Energie ihrer immer noch vorhandenen Angst wie eine laue Brise. Erst da merkte er, dass er ihr Angst eingejagt hatte, und er schalt sich selbst dafür, dass er so unbedacht gewesen war.
»Tut mir leid«, sagte er leise, griff nach der Hand, die den Türrahmen umklammerte, und nahm sie zwischen seine Hände. »Habe ich dich erschreckt?«
»Zu Tode sogar«, sagte sie, und ihr Bronx-Slang war wegen ihrer Aufgewühltheit stärker als sonst. »Seit wann klopfen Dämonen
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