Schattenwandler: Adam (German Edition)
über den Mann, von dem sie wusste, dass sie ihm nicht mehr helfen konnte, und kniete sich neben Isabella hin. Sanft strich sie Leah über den Kopf. Das braunschwarze Haar, das sie von ihrem Vater hatte, war voller Erde und voller Blut, doch die Sanftheit der Vampirin war genau das, was das verstörte Kind brauchte. Mit großen violetten Augen blickte es zu Jasmine auf; ungeweinte Tränen standen in seinen Augen und ein Trauma, das es sein Leben lang nicht mehr vergessen würde.
»Bitte hilf meiner Mama«, bettelte es Jasmine schmerzerfüllt an.
»Komm, Schatz. Es ist am besten, wenn wir deine Mutter gehen lassen«, sagte die so sanft wie möglich, »sonst wird sie auf lange Sicht leiden.« Anders als Leah wusste Jasmine von der symbiotischen Beziehung zwischen dem Dämon und der Druidin. Ohne Jacobs Energie würde Bella langsam dahinsiechen und innerhalb von zwei Wochen tot sein. Es wäre ein langsamer und qualvoller Tod – vor allem für diejenigen, die die Druidin liebten und zuschauen mussten in dem Wissen, dass sie nichts für sie tun konnten.
»Bitte. Bitte!« Leah umfasste Jasmines Gesicht mit den Händen und blickte sie an mit einer erschreckenden Weisheit in den jungen Augen. »Ich war gemein zu ihr heute Abend, ich will nicht, dass Mama mich verlässt und denkt, ich bin ein böses Mädchen.«
»Schätzchen, wir wissen doch beide, dass deine Mutter so etwas nie denken würde. Sie hat dich mehr geliebt als irgendetwas sonst auf der Welt«, versicherte ihr Jasmine, während sie sie auf den Schoß nahm und fest an sich zog.
»Ich weiß schon, aber ich glaube, sie weiß nicht, dass ich sie lieb habe. Ich war gemein zu ihr.«
»Oh, Herzchen. Sie weiß es. Mamas wissen das immer.«
»Bitte. Ich muss es ihr sagen. Bitte …«
Das kleine Mädchen presste die Lippen auf Jasmines Wange, dort, wo ihre Fangzähne verborgen waren. Jasmine wusste, dass sie von dem kleinen Mädchen manipuliert wurde, das alle Register zog, um das Leben seiner Mutter zu retten.
»Verdammt.«
Leah verstand nicht, was es Jasmine für den Rest ihres Lebens kosten konnte, wenn sie Bella für den Moment rettete.
Jasmine hatte noch nie das Blut von jemandem getrunken, der kein Mensch oder Vampir gewesen war. Diese Vorstellung verstieß gegen ihr ganzes Empfinden. Ein Leben lang hatte man ihr eingetrichtert, niemals das Blut eines Schattenwandlers zu trinken. Bis vor Kurzem war es sogar streng verboten gewesen. Doch dann hatte Prinz Damien das Blut einer Lykanthropin getrunken, die später seine Gemahlin geworden war, und man hatte entdeckt, dass die kalten und lieblosen Vampire ihr Leben auf so emotionslose Weise geführt hatten, weil sie dazu bestimmt waren, ihre Gefährten unter anderen Schattenwandlerspezies zu finden … im Blut anderer Schattenwandler.
Doch hier gab es keine Liebe. Jasmine erwog, von Bellas Blut zu trinken, um das autonome System auszulösen, das mit ihrem zweiten Biss verbunden war und bei dem Gerinnungsstoffe in den Körper ihrer Opfer gelangten, sodass Bellas Blutung gestoppt wurde. Doch Blut von Bella zu saugen bedeutete, dass sie etwas von deren besonderen Fähigkeiten in sich aufnahm, und Jasmine wollte sich nicht auf einer molekularen Ebene für immer verändern. Sie mochte sich so, wie sie war.
Doch sie durfte jetzt nicht an sich selbst denken. Es ging um ein Paar bittende violette Augen, um ein Kind, das zur Waise werden würde, und die Mutter dieses Kindes würde entsetzlich leiden, wenn Jasmine sie lang genug am Leben hielt, damit sie sich von ihrer Tochter verabschieden konnte.
»Es tut mir leid«, flüsterte die Vampirin der Kleinen zu. »Sie ist tot.«
Sie hob das kleine Mädchen hoch und verließ die Höhle, in der Leahs toter Vater und ihre sterbende Mutter lagen.
Eine Woche später
Noah, der Dämonenkönig, raste vor Schmerz und vor Trauer und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Er hatte sich genau in den Höhlengängen versteckt, wo Jacob den Tod gefunden hatte, und mit seinen Feuerkräften verbrannte er alles, was in seiner Nähe war, bis die Felsen vollkommen verrußt und so schwarz waren wie die Wunden in seinem Herzen.
Kestra, seine Königin, trauerte voller Liebe. Leah schmiegte sich an Noahs Frau, die Arme unter Kestras zuckerweißem Haar fest um deren Hals geschlungen. Während ihr Mann raste vor Schmerz, wiegte und tröstete Kes das verwaiste Kind. Sie klammerten sich aneinander, das elternlose Kind und die kinderlose Frau, und stillten damit ein tiefes Bedürfnis.
Leahs Onkel
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