Scheintot
wiederholte Gabriel.
»Sie ist
Ihre
Frau. Wissen Sie es denn nicht?«
Gabriels Hand war so schnell an Lukas’ Kehle, dass diesem keine Zeit blieb, um zu reagieren. Er taumelte rückwärts gegen Barsantis Wagen und knallte mit dem Hinterkopf auf die Motorhaube. Während er nach Luft rang, zerrte er an Gabriels Händen, konnte sich aber nicht befreien und ruderte hilflos mit Armen und Beinen wie eine auf den Rücken gedrehte Schildkröte.
»Dean«, rief Barsanti. »Dean!«
Endlich ließ Gabriel von Lukas ab und trat schwer atmend ein paar Schritte zurück. Er versuchte, sich nicht von Panik übermannen zu lassen, doch sie hatte ihn schon gepackt, schnürte ihm ebenso gnadenlos die Kehle zu, wie er es eben bei Lukas getan hatte, der nun hustend und keuchend am Boden kniete. Gabriel wandte sich ab und lief zum Haus, sprang die Stufen hinauf und stieß die Haustür auf. Wie im Taumel rannte er von Zimmer zu Zimmer, riss Türen auf, sah in Schränken nach. Erst als er wieder ins Wohnzimmer zurückkam, entdeckte er, was ihm beim ersten Durchgang entgangen war: Janes Autoschlüssel – sie lagen auf dem Teppich hinter dem Sofa. Er starrte sie an, und aus Panik wurde eiskalte Angst. Ihr wart also in diesem Haus, dachte er. Du und Regina …
Das Geräusch von fernen Schüssen ließ seinen Kopf hochschnellen.
Er stürzte hinaus auf die Veranda.
»Das kam aus dem Wald«, sagte Barsanti.
Sie alle erstarrten, als der dritte Schuss fiel.
Gabriel verlor keine Sekunde und sprintete los, hinein in den Wald, ohne auf Zweige und Schösslinge zu achten, die sein Gesicht und seine Hände peitschten. Der Strahl seiner Taschenlampe tanzte wild über den mit totem Laub und umgestürzten Birkenstämmen übersäten Waldboden. Wohin nur, wohin? Lief er überhaupt in die richtige Richtung?
Sein Fuß verfing sich in einem Gewirr von Ranken, und er stürzte vornüber, landete auf den Knien. Hastig rappelte er sich auf und rang nach Luft.
»Jane?«, rief er. Seine Stimme versagte, und ihr Name kam nur als Flüstern über seine Lippen: »Jane …«
Hilf mir, dich zu finden. Zeig mir den Weg.
Er stand da und horchte, inmitten der Bäume, die ringsum aufragten wie die Gitterstäbe einer Gefängniszelle. Jenseits des Lichtkegels seiner Taschenlampe umschloss ihn die stockfinstere Nacht wie eine massive, undurchdringliche Mauer.
Irgendwo knackte ein Zweig.
Er wirbelte herum, konnte aber außerhalb des Strahls seiner Lampe nichts erkennen. Er schaltete sie aus und stand mit pochendem Herzen da, während er angestrengt versuchte, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Jetzt erst sah er den funkelnden Lichtpunkt, so schwach, dass man ihn für ein Glühwürmchen hätte halten können, das zwischen den Bäumen tanzte. Wieder knackte ein Zweig. Der Lichtpunkt kam auf ihn zu.
Er zog seine Waffe. Hielt sie auf den Boden gerichtet, während er sah, wie das Licht immer heller wurde. Er konnte nicht erkennen, wer die andere Taschenlampe hielt, doch er hörte die Schritte, die immer näher kamen, das Rascheln des Laubs, nur noch wenige Meter entfernt.
Er hob seine Waffe. Schaltete die Taschenlampe ein.
Gefangen im Lichtkegel von Gabriels Lampe zuckte die Gestalt zusammen wie ein zu Tode erschrockenes Tier und blinzelte in den grellen Strahl. Er starrte in das blasse Gesicht, sah die kurzen, stachelig abstehenden roten Haare. Nur ein Mädchen, dachte er. Nur ein verängstigtes, spindeldürres Mädchen.
»Mila?«, fragte er.
Dann bemerkte er die andere Gestalt, die direkt hinter dem Mädchen aus dem Dunkel trat. Noch ehe er ihr Gesicht sehen konnte, erkannte er bereits den Gang, die Silhouette des widerspenstigen Haarschopfs.
Er ließ die Taschenlampe fallen und stürzte auf seine Frau und seine Tochter zu, die Arme ausgebreitet, begierig, sie an sich zu drücken. Sie sank an seine Brust, Regina fest im Arm. Eine Umarmung in der Umarmung, die ganze Familie wie eine kleine Welt.
»Ich habe Schüsse gehört«, sagte er. »Ich dachte …«
»Das war Mila«, flüsterte Jane.
»Was?«
»Sie hat meine Waffe an sich genommen. Sie ist uns gefolgt …« Janes Muskeln spannten sich plötzlich an, und sie blickte zu ihm auf. »Wo ist Peter Lukas?«
»Barsanti passt auf ihn auf. Der kann nirgendwo hin.«
Jane blickte sich zum Wald um. »Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Tiere sich an der Leiche zu schaffen machen. Wir müssen die Spurensicherung holen.«
»Wessen Leiche?«
»Ich zeig’s dir.«
Gabriel stand am Rand der Lichtung,
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