Schenk mir nur eine Nacht
Verständnis haben, dass Luis sich nach dem langen, anstrengenden Tag jetzt mit Shontelle zurückziehen wollte.
Vor ungefähr einer Stunde hatten sich die Gallardos unauffällig verabschiedet. Esteban hatte offenbar dafür gesorgt, dass seine Familie so tat, als wäre alles in Ordnung. Wenn abgerechnet werden sollte, dann nicht hier, sondern auf Gesellschafterversammlungen und in den Sitzungssälen. Das Gesicht zu wahren war mindestens so wichtig, wie gute Geschäftsbeziehungen zu unterhalten.
Shontelle brauchte keine Angst mehr zu haben, von der argentinischen Society nicht akzeptiert zu werden. Das Gegenteil war der Fall, denn man hatte sie mit Komplimenten und guten Wünschen praktisch überhäuft. Wenigstens das ist mir gelungen, es ist ein Triumph für sie, dachte Luis zufrieden.
Die Reaktionen auf die Bekanntgabe seiner Verlobung waren überraschend positiv. Obwohl es für ihn nicht wichtig war, war es zumindest hilfreich, denn dadurch hatte Shontelle ein Argument weniger, was gegen die Heirat sprach - wenn sie überhaupt bereit war, mit ihm über den Heiratsantrag zu reden.
Sie hatte so lange gezögert, seinen Antrag anzunehmen, dass Luis befürchten musste, sie hätte es nicht ernst gemeint. Sie hatte ihm versprochen, zu ihm zu halten, und das hatte sie getan.
Doch beim Tangotanzen hatte er nicht das Gefühl gehabt, sie würde nur mitspielen. Wenn sie mich nicht begehrte, hätte sie sich bestimmt nicht so hinreißend erotisch und verführerisch in meinen Armen bewegt, sagte er sich.
Aber es wäre natürlich auch möglich, dass sie damit nur ihrem Zorn und Ärger hatte Luft machen wollen, obwohl er es sich nicht vorstellen konnte. Freundlich, geduldig und charmant hatte sie alles über sich ergehen lassen. Von Ärger oder Zorn war nichts zu spüren gewesen. Statt dessen hatte sie ihn liebevoll angelächelt, viel mit ihm gelacht und gescherzt, so dass er zu hoffen wagte, sie wäre bereit, ihn zu heiraten. Oder hatte sie nur mitgespielt, weil sie glaubte, er erwartete es von ihr?
Vielleicht wollte sie sich und ihm unbedingt beweisen, dass sie die richtige Frau für ihn wäre, ohne dass sie beabsichtigte, es auch zu werden. Nein, das durfte nicht sein. Diesen Gedanken fand Luis unerträglich.
Als der Walzer zu Ende war, trennte Luis sich von seinen Freunden und ging Shontelle entgegen, die neben Patricio die Tanzfläche verließ. Sie war wirklich eine wunderbare Frau. Das rote Kleid betonte ihre phantastische Figur, ihr herrliches langes Haar schimmerte und glänzte im Licht, und ihr schönes Gesicht strahlte. Man spürte, was für eine starke Persönlichkeit sie war.
Luis wollte sie ganz für sich haben, ihren Körper und ihre Seele.
Ich muss sie für mich gewinnen, ging es ihm durch den Kopf.
Und der Gedanke war so stark und heftig, dass er daran zu ersticken glaubte. Er streckte die Hand nach ihr aus. Ohne zu zögern, legte sie ihre hinein.
"Danke, Patricio", sagte sie und lächelte Luis' Bruder strahlend an.
Luis' Magen krampfte sich zusammen, so unsicher fühlte er sich plötzlich.
"Wir fahren jetzt", verkündete er. Er wollte Shontelle mit keinem anderen mehr teilen, auch nicht mit seinem Bruder. "Ich bin froh, dass du zu mir gehalten hast, ich weiß es zu schätzen, Patricio", fügte er hinzu. Er war seinem Bruder dankbar für die mutige Unterstützung.
Patricio zwinkerte ihm verständnisvoll zu. "Wenn du das nächste Mal Löwen bändigen willst, Luis, lass es mich früh genug wissen. Ich muss zugeben, du hast es stilvoll hingekriegt." Er hob Shontelles linke Hand und beugte sich galant darüber. "Verzeih mir, dass ich gezögert habe, dich willkommen zu heißen, Shontelle. Ich bin sehr froh, dass du zu unserer Familie gehören wirst. Mein Bruder kann stolz auf dich sein."
"Nett von dir, dass du das sagst", erwiderte sie.
Für Luis hörte sich diese Bemerkung völlig unverbindlich und nichts sagend an.
Schließlich wandte Patricio sich mit ernster Miene an seinen Bruder. "Ehe du gehst, sprichst du am besten noch mit unserer Mutter. Sie war es, die angefangen hat zu applaudieren, nachdem Shontelle deinen Heiratsantrag angenommen hatte."
Luis war überrascht. "Ich dachte, das wärst du gewesen."
"Nein, ich habe mich ihr sogleich angeschlossen, aber sie war die Erste."
"Sie wollte wahrscheinlich nur das Gesicht wahren", meinte Luis ironisch.
Patricio zuckte die Schultern. "Es kann aber auch sein, dass sie dir entgegenkommen wollte. Vielleicht steckt mehr dahinter, als du denkst."
"Wir
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