Schenkel, Andrea M
Trockenen, schnappe panisch nach Luft.
Ich liege da. Eigentlich müsste ich aufspringen, schreien, wie wild gegen die Tür schlagen. Doch ich liege da, erschöpft, leer. Verliere in der Dunkelheit jedes Gefühl für Zeit. Spüre, wie die Kälte des Bodens langsam in meinen Körper dringt, wie ich auskühle. Mir ist, als falle ich in ein tiefes Loch. Ich sauge die Luft ein, und mit jedem Atemzug zieht es mich tiefer hinab. Ich schließe die Augen, oder habe ich sie geöffnet? Es spielt keine Rolle, die Finsternis ist dieselbe. Ich liege da, fühle mich leer, furchtbar leer.
Der Raum ist in rotes Licht gehüllt. Ich kann nicht erkennen, woher das Licht kommt, sehe mir selbst dabei zu, wie ich aufstehe, mich langsam umsehe. Ich bin nicht alleine, ich höre Schritte. Ich gehe durch dieses Meer aus rotem Licht, folge den Schritten in den mittleren Raum. Da sehe ich ihn, ein großer, kräftiger Mann. Die Haare ganz kurz rasiert, Jeans und Army-Jacke. Er geht durch den Raum bis ins hinterste Zimmer des Bunkers. Vor der hinteren Wand bleibt er stehen, dreht sich zu mir um. Ich sehe sein Gesicht, die markante Sattelnase, hervortretende Wangenknochen, tief in den Höhlen liegende Augen. Die Lider etwas hängend, die Augen strahlen Selbstsicherheit und Bestimmtheit aus. Er stößt sich mit einem Bein von der Wand ab, läuft auf die verschlossene Stahltür zu, dreht ihr seine rechte Schulter zu, rammt sie. Mit ohrenbetäubendem Lärm springt die Tür auf, grelles weißes Licht blendet mich, schmerzt in meinen Augen. Ich reiße die Hände hoch, halte sie schützend vor mein Gesicht. Er muss über mich hinweggesprungen sein. Ich nehme meine Hände herab, öffne vorsichtig die Augen.
Der Raum ist stockdunkel, die Bunkertür geschlossen, ich liege immer noch vor der Tür auf dem kalten Boden, bin in diesem Kellerloch gefangen.
Verdammt, ich fange an verrückt zu werden. Meine rechte Körperhälfte schmerzt vom Liegen auf dem Betonboden. Ich friere, ich muss hier raus! Raus!
Freitagnachmittag, Feierabendverkehr, ein Auto hinter dem anderen, Stoßstange an Stoßstange, die ganze Straße entlang. Die Luft stickig durch die Abgase der Fahrzeuge. Sie schmeckt abgestanden bei jedem Atemzug. Straßenlärm, Hupen, dazwischen ungeduldige, genervte Fußgänger, jeder will nach Hause. Eine Frau läuft zwischen den stehenden Autos hindurch, quer über die Straße. Radfahrer schlängeln sich durch die Reihen. Fahren rechts und links an den Autos vorbei, wo immer sich eine Lücke findet. Drängeln sich zur Ampel vor. Einer, der es gar nicht abwarten kann, fährt mit seinem Fahrrad über den Gehweg. Zwängt sich zwischen den Fußgängern hindurch. Dabei fährt er einen fast um. Der springt gerade noch zur Seite, ruft dem Radfahrer schimpfend hinterher. Der Fahrradfahrer fährt weiter, kümmert sich nicht um den Fußgänger. Ich stehe auf dem Gehweg und schaue zu. Beide Straßenränder sind zugeparkt. In zweiter Reihe abgestellte Fahrzeuge behindern den Verkehr zusätzlich. Ich sehe hinüber zum Parkplatz der Autovermietung. Lauter ältere Modelle, alle gewaschen und poliert. Das Gebäude hinter dem Fuhrpark ein Betonbau mit großen Fenstern ohne sichtbaren Rahmen, eingelassen in Betonplatten mit dunklen Fugen. Durch das getönte Glas der Fenster kann ich nicht in das Gebäude hineinsehen. Ein Kunde betritt das Geschäft. Die Glastür an der Frontseite öffnet sich automatisch. Durch die offene Tür sehe ich für einen Moment ins Innere. Hinter dem Empfangstresen aus dunklem Holz steht sie.
Sie ist mit dem Sortieren eines Stapels Papier beschäftigt. Niemand sonst im Raum. Die Tür schließt sich, öffnet sich wenig später wieder. Sie begleitet den Kunden nach draußen, gibt ihm die Autoschlüssel. Ich sehe den roten Anhänger der Schlüssel, ein kurzer Wortwechsel, Hände schütteln, der Mann steigt in einen grauen BMW. Sie winkt ihn aus der Parklücke, lächelt kurz, nickt und geht zurück in das Gebäude.
Ich überquere die Fahrbahn, schlängele mich mit den anderen Fußgängern durch die Reihe der stehenden Autos hindurch. Ich gehe über den Parkplatz. Der Weg ist mit Waschbetonsteinen gepflastert.
Die automatische Glastür öffnet sich. Ich gehe hinein. Sie ist wieder mit ihren Geschäftspapieren beschäftigt. Sie hebt nicht einmal den Kopf. Grüßt nicht. Ordnet weiter ihre Unterlagen, als wäre sie noch immer alleine im Raum.
Ich bleibe vor dem Tresen stehen. Warte, lasse sie dabei nicht aus den Augen.
»Wir schließen in zwei
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