Schenkel, Andrea M
Minuten!«
»Ich weiß.«
Sie kniet vor mir, ihre Hände sind mit einem Stück Wäscheleine um die Handgelenke auf dem Rücken gefesselt. Ihr Rücken ist gekrümmt, so dass die Schultern überhängen. Der Kopf ist nach vorne geneigt, die halblangen dunklen Haare hängen ihr fransig ins Gesicht. Ich höre ihren Atem, höre sie ein- und ausatmen. Sie holt Luft, stößt sie mit einem leisen zischenden Geräusch zwischen den aufeinandergepressten Lippen wieder aus. Kniend reicht sie mir knapp bis zum Gürtel. Ich gehe einen Schritt zurück. Ihre Brüste heben und senken sich mit jedem Atemzug. Sie hat Angst, ich kann sie spüren, die Angst. Ein kleiner glänzender Schweißtropfen rinnt über ihre Brust. Ich sehe dem Tropfen zu, wie er langsam über die nackte Haut läuft und im Ausschnitt verschwindet.
Mit meiner linken Hand greife ich in ihr Haar, packe fest zu, ziehe ihren Kopf mit einem Ruck nach hinten. Sie schreit kurz auf. Verdammt, sie soll mir ins Gesicht sehen. Ihr Blick weicht mir aus. Sie richtet die Augen starr nach unten. Die Stirn ist nass vom Schweiß, die Schminke um die Augen verschmiert, ihre Wimperntusche läuft in Schlieren über die Wangen. Die Konturen ihres Gesichts verwischen durch die zerlaufende Schminke. Sie wimmert, schnieft, zieht die Luft laut durch die Nase ein.
Mit der linken Hand ziehe ich den Kopf weiter nach hinten. Meine rechte umgreift ihr Kinn, drückt es zusammen.
»Wo ist der Schlüssel? Sag mir, wo ist der Schlüssel?«
Wieder zieht sie Rotz durch die Nase hoch. Mit der Hand, die eben noch ihr Kinn zusammendrückte, hole ich aus und schlage ihr ins Gesicht. Sie stöhnt. Obwohl ich den Kopf noch immer an den Haaren festhalte, fliegt er ein Stück zur Seite. Die Ränder eines Nasenlochs färben sich rot, eine dünne Blutspur zieht von der Nase übers Kinn. Sie heult leise.
»Den Schlüssel, sofort!«
Meine linke Hand rüttelt den Kopf vor und zurück. Blutströpfchen verteilen sich fächerförmig auf meinem Hemd. Ekel steigt in mir hoch. Und Wut. Warum sagt sie nichts? Warum heult sie nur vor sich hin?
Ich balle meine Hand zur Faust und schlage noch mal in ihr Gesicht. Wieder fliegt ihr Kopf zur Seite. Um gleich darauf mit zusammengepressten Augen und gespitztem Mund nach vorne zu fallen. Sie bleibt kurz auf der Schulter liegen, rutscht dann langsam wieder zur Mitte. Ich sehe in ihr Gesicht, mit Kussmund und Schlitzaugen sieht sie einfach lächerlich aus.
»Den Schlüssel, sonst …«
Ich knie vor ihm, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Er tippelt nervös vor mir herum, dabei wippt er mit dem Oberkörper vor und zurück. Ich versuche ihn nicht anzusehen, halte meinen Blick starr auf seine Schuhe gerichtet. Turnschuhe. Er versucht cool zu sein, dieses Arschloch. Den Typen bloß nicht anschauen, schau auf seine Schuhe, schau ihm nicht in die Augen. Nicht ins Gesicht. Immer nur auf die Schuhe. Die Schuhe.
Er zieht mit einer Hand meinen Kopf an den Haaren weit nach hinten. Holt aus. Ich spüre einen tiefen, durchdringenden Schmerz, mein Schädel scheint zu platzen. Er hat mir ins Gesicht geschlagen, dieses Schwein. Mein ganzer Körper tut mir weh! Der Kopf, die Schultern, die Hände, die Knie. Dieses Schwein, dieses verdammte dreckige Schwein! Den Schlüssel, sonst … den Schlüssel … Ich hab den Schlüssel nicht!
Er holt erneut aus, schlägt mir wieder ins Gesicht. Vor meinen Augen grelle Lichtblitze. Mein linkes Auge pocht. Ich halte es kaum aus. Das Stechen einer langen spitzen Nadel durch meinen Schädel. Tiefer mit jedem Herzschlag, tiefer und tiefer. Ich versuche die Augen zu öffnen. Mach die Augen auf! Mensch, mach die Augen auf! Es geht nicht! Ich kann die Augen nicht öffnen. Der Schmerz! Mach die Augen auf! Reiß dich zusammen, mach sie auf! Das Licht hell, unglaublich grell. Ich kann die Augen nicht offen halten. Kann nicht! Ich versuche es wieder. Das linke Auge bleibt zu, das rechte lässt sich einen Spalt öffnen. Alles verschwommen. Die Hand in meinem Haar zieht meinen Kopf mit einem Ruck nach hinten in den Nacken. Wieder Schmerzen, mein Kopf platzt.
Der Schlüssel … der Schlüssel … Ich habe das Gefühl, der Boden gibt unter mir nach. Hitze steigt in mir hoch über den Rücken, den Nacken, umgreift meinen Kopf von hinten, schlägt wie eine Welle über der Stirn zusammen. Ich sacke langsam in mich zusammen, lasse mich fallen … einfach fallen …
Ich falle durch eine unendliche schwarze Leere. Plötzlich ein Schimmer, mir ist, als werde
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