Scherben der Ehre
sehen, dass unsere beiden Regierungen sich nicht im Krieg miteinander befinden, soweit ich weiß, und dass ich unrechtmäßig in Haft gehalten werde.«
Koudelka zerbrach sich den Kopf über diesen Versuch einer Berichtigung seines Standpunktes, dann ließ er ihn unschuldig an seiner unerschütterlichen Denkweise abprallen. Er nahm ihre neue Ausstattung und führte sie zu ihrem Quartier.
Kapitel 5
Als Cordelia am nächsten Morgen aus ihrer Kabine trat, fand sie einen Wächter davor postiert. Sie reichte ihm gerade bis zu seinen breiten Schultern. Sein Gesicht erinnerte sie an einen überzüchteten Barsoi: es war schmal, hatte eine Hakennase und zu nahe beieinanderstehende Augen. Sie erinnerte sich sofort, wo sie diesen Mann schon einmal gesehen hatte: von weitem an einem schattigen Waldrand, und einen Augenblick lang spürte sie die Angst, die von dieser Begegnung zurückgeblieben war. »Sergeant Bothari?«, sagte sie auf gut Glück.
Er salutierte vor ihr, der erste Barrayaraner, der dies tat. »Madame«, sagte er und fiel wieder in Schweigen. »Ich will zur Krankenstation gehen«, sagte sie unsicher.
»Jawohl, Madame.« Seine Stimme war ein tiefer Bass, und er sprach in einem monotonem Tonfall. Er machte eine schneidige Kehrtwendung und ging voran. Cordelia vermutete, dass er Koudelka in der Rolle ihres Führers und Aufsehers abgelöst hatte, und so trottete sie hinter ihm her. Sie war noch nicht ganz darauf vorbereitet, mit ihm eine zwanglose Unterhaltung zu führen, deshalb stellte sie ihm unterwegs keine Fragen. Er blieb bei seinem Schweigen. Als sie ihn beobachtete, kam ihr der Gedanke, dass der Wachtposten vor ihrer Tür vielleicht nicht nur mit ihrer Kontrolle beauftragt war, sondern ebenso sehr mit ihrem Schutz. Sie spürte plötzlich das Gewicht des Betäubers an ihrer Hüfte.
In der Krankenstation saß Dubauer, in eine schwarze Arbeitsuniform ohne Abzeichen gekleidet, wie Cordelia sie auch bekommen hatte. Sein Haar war geschnitten, und man hatte ihn rasiert. Sicher war die leibliche Pflege, die er bekam, in Ordnung. Sie sprach eine Weile zu ihm, bis ihre eigene Stimme in ihren Ohren albern klang. Er blickte sie an, zeigte aber sonst kaum eine Reaktion.
Auf dem Rückweg erblickte sie zufällig Vorkosigan in einem privaten Zimmer abseits vom Haupttrakt. Er winkte ihr, sie solle hereinkommen. Er hatte einen einfachen grünen Pyjama im Standardschnitt an, saß im Bett und fingerte mit einem Lichtgriffel an einem Computerterminal herum, das über sein Bett geschwenkt war. Obwohl er fast zivil gekleidet war und weder Stiefel noch Waffen trug, machte er seltsamerweise den gleichen Eindruck auf sie wie zuvor. Er hätte vielleicht auch splitternackt weitermachen können und dabei den Leuten um ihn herum nur das Gefühl vermittelt, sie seien zu förmlich gekleidet. Als sie sich diese Szene insgeheim vorstellte, musste sie lächeln; sie grüßte ihn mit einer flüchtigen Handbewegung. Neben dem Bett stand einer der Offiziere, die ihn am Abend zuvor zur Krankenstation begleitet hatten.
»Kommandantin Naismith, dies ist Major Vorkalloner, mein Zweiter Offizier. Entschuldigen Sie mich einen Moment; Kapitäne mögen kommen und gehen, aber der Verwaltungskram höret niemals auf.«
»Amen.«
Vorkalloner schaute aus wie der typische barrayaranische Berufssoldat; er hätte direkt einer Werbeanzeige entstiegen sein können. Aber in seinen Gesichtszügen zeigte sich auch ein gewisser ursprünglicher Humor, der Cordelia wünschen ließ, Fähnrich Koudelka möge in zehn oder zwölf Jahren ähnlich aussehen.
»Kapitän Vorkosigan spricht sehr gut von Ihnen«, sagte Vorkalloner im Plauderton. Es entging ihm, dass sein Kapitän bei dieser Eröffnung die Stirn leicht runzelte. »Ich nehme an, wenn wir schon nur einen einzigen Betaner fangen konnten, dann waren Sie die beste Wahl.«
Vorkosigan zuckte zusammen. Cordelia signalisierte ihm mit einem leichten Kopfschütteln, er solle den Fauxpas ignorieren. Er zuckte die Achseln und begann, etwas auf seiner Tastatur einzutippen.
»Solange alle meine Leute sicher nach Hause unterwegs sind, werde ich es als einen fairen Tausch betrachten. Fast alle, jedenfalls.« Es war ihr, als spürte sie einen kalten Hauch von Rosemonts Geist, und Vorkalloner erschien ihr plötzlich weniger unterhaltsam. »Warum waren Sie alle überhaupt so scharf darauf, uns einzufangen?«
»Das war natürlich ein Befehl«, sagte Vorkalloner einfach, wie ein Fundamentalist aus alten Zeiten, der jede
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