Scherbenhaufen
eine private Detektei entschieden. Sie und Ihr Assistent sollen in unserem Auftrag herausfinden, wer der Freundin meines Sohnes zu Leibe gerückt ist und anschließend die Majolika zerstört hat.«
6
Nichts schien ihn zu erschüttern. Weder der frühe Hinschied seiner beiden Ehefrauen noch der Verlust seiner einzigartigen Keramik-Sammlung. Nach außen hin ertrug Adam Füssli Schicksalsschläge mit bewundernswerter Fassung.
Für die verloren geglaubte Majolika zeichnete sich eine Lösung ab. Nach dem Brand hatte Adam Füssli eigenhändig so viele Scherben als möglich aus der Asche geklaubt. Ein paar Objekte waren möglicherweise durch eine Restauration zu retten. Glücklicherweise hatte er sämtliche Sammlungsstücke gut dokumentiert. Und klugerweise bewahrte er den entsprechenden Sammlungskatalog nicht auch in Gstaad, sondern separat in seiner Villa am Thunersee auf. So waren die Dokumente als Grundlage für die Rekonstruktion und Restauration der Keramik nicht verloren gegangen.
Mit diesen Unterlagen suchte Adam Füssli eines Tages den Jugendfreund auf, der im Ruf stand, einer der fachkundigsten Keramikrestauratoren des Kantons zu verkörpern. Es handelte sich um niemand anders als den Heimberger Töpfermeister Robert Weihermann. Ihm wurden die Fotos zusammen mit den geretteten Bruchstücken vorgelegt.
»Denkst du, dass da noch was zu retten ist?«, fragte ihn Adam Füssli hoffnungsvoll.
Sein Freund verbreitete Zuversicht und versprach, die abgebildeten Stücke quasi aus der Asche auferstehen zu lassen. »Du wirst keine einzige Kittstelle erkennen. Deine Keramik wird aussehen wie neu.«
»Zum Teufel, Robert, nur das nicht!«, wehrte der Richter scherzend ab. »Den antiken Krügen soll man das Alter ansehen. Das erst macht sie mir lieb und teuer.« Eitel fügte er hinzu: »Lasse sie ganz einfach wirken wie seinen Besitzer: gut erhalten.«
Ebenso unbescheiden beruhigte ihn Robert Weihermann: »Dein wertvollstes Gut wird von meinem kostbarsten Schatz profitieren: meiner Erfahrung.«
»Gewiss, Robert. Aber du weißt, dass der wertvollste Schatz des Alters nicht die Erfahrung, sondern die Erfüllung darstellt.«
Weihermann nickte und äußerte sich erneut ziemlich missverständlich: »Keine Sorge, lieber Freund. Ich werde deiner Erwartung an mein handwerkliches Geschick voll und ganz gerecht werden. Du wirst deine Hafen nicht wiedererkennen.«
Adam Füssli rückt sich seine Brille zurecht, als wäre besonderer Durchblick erforderlich, und meinte lakonisch: »Hoffnung oder Befürchtung, das mit dem Wiedererkennen?«
Noch bevor beim alten Töpfer die Münze gefallen war, beendete der Richter den ungleichen Dialog mit der Einschätzung, dass man sich wohl schon ›recht‹ verstehe.
Widererwarten pflichtete ihm Robert Weihermann nicht bei. Stattdessen musterte er sein Gegenüber missmutig und kritisierte: »Tja, Adam. Fatalerweise war das nicht immer der Fall, wie du weißt.«
Diese Bemerkung erwischte Füssli auf dem falschen Fuß. »Sollten wir die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen?«
Der Töpfermeister enthielt sich einer weiteren Äußerung, nahm erneut eine Fotografie des Inventars zur Hand und musterte sie kritisch.
Adam Füssli unterbrach mit einem unerwarteten Vorschlag: »Robert, hättest du Lust, mich gelegentlich auf den See zu begleiten? Ich bin seit vielen Jahren Ruderer im Seeclub und würde mich freuen, dich als neues Mitglied zu gewinnen.«
»Dort passe ich doch überhaupt nicht hinein, in den noblen Verein«, wehrte Robert Weihermann ab, allerdings ohne nachhaltige Überzeugungskraft.
»Nobel war gestern. Heute zählen einzig Sportgeist und Kameradschaft. Wenn du einverstanden bist, können wir uns für eine Probefahrt einen Doppelzweier auslehnen. Es würde mir viel bedeuten, mit dir im selben Boot zu sitzen.«
Robert Weihermann willigte ein. Dabei mag auch Füsslis lohnender Restaurationsauftrag eine gewisse Rolle gespielt haben. Die beiden Jugendgefährten vereinbarten eine Schifffahrt und fixierten dafür einen Termin vor dem Haus des Seeclubs auf der Aarehalbinsel.
Bereits wenige Tage später tauchten Adam Füssli und Robert Weihermann im Gleichtakt der rotierenden Skulls vier Ruderblätter ins klare Nass. In scheinbar ungetrübter Harmonie glitten sie über das Wasser und sangen gut gelaunt das Volkslied aus ihrer gemeinsamen Primarschulzeit:
»Jetzt fahr’n wir über ’n See, über ’n See,
jetzt fahr’n wir über ’n …
Jetzt fahr’n wir über ’n See, über
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