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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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E -Mail herzlich dorthin eingeladen. Ian veranstaltete nicht nur Schneeschuhwanderungen, Touren mit dem Winterkajak und Adlersafaris, sondern auch großartige Fotokurse, die irgendwo im Nirgendwo einer Bucht hinter den Schären stattfanden. Er hatte Irmi ein paar Privatstunden gegeben und ihr dabei erklärt, dass es nur einen hassenswerten Buchstaben im Alphabet gebe: P wie Programmautomatik. Ian war ein Magier der Blende und gab sein Wissen gern weiter. Selbst Irmi hatte am Ende spektakuläre Fotos gemacht. Die würden ihr bleiben, auch wenn sie wieder in Deutschland wäre.
    Doch was wollte Kathi von ihr?
    Der Bericht ihrer Kollegin war schnörkellos. Es ging um einen Tennenbrand in Unterammergau. Um zwei Tote im Silo und zwei Alte, die nicht zu Schaden gekommen waren. Kathis Rede wurde immer wieder unterbrochen von einem kaum vernehmbaren Schlucken.
    »Der Chef und die Staatsanwaltschaft wollen jemanden von außen holen, weil du nicht da bist. Jemanden aus München.« Wieder eine kurze Pause. »Wir brauchen hier niemanden aus München. Ich hab gesagt, dass du zurückkommst. Ich, ach … Ich war mir sicher, dass du zurückkommst.«
    Es blieb still am anderen Ende der Leitung. In der Küche klapperte irgendwer mit Geschirr. »Aber jetzt nicht mehr?«, fragte Irmi. »Jetzt bist du dir nicht mehr sicher?«
    »Nein, ich hätte dich nicht stören dürfen. Es ist absurd, ich …«
    Es kam Irmi vor, als sei Kathi überraschend stark aus der Bahn geworfen. Sie war fast schon beklemmend leise und zurückgenommen. War das »ihre« Kathi, die sagte: »Ich hätte dich nicht stören dürfen«? Kathi, das Sturmtief? Kathi, Taifun und Tornado in Personalunion? Das Mobilteil des Telefons begann zu piepsen, schrill und nervtötend.
    »Kathi, ich ruf sofort zurück. Ich glaube, der Akku gibt gerade auf.« Klack.
    Irmi ging die steile Treppe hinauf in ihr Zimmer, das ihr in den letzten drei Wochen zum Zuhause geworden war. Es dauerte eine Weile, bis sie ihr Handy gefunden hatte, es steckte oben im Koffer, in der Deckeltasche, in die sie gebrauchte Wäsche zu stecken pflegte. Sie schaltete es ein, und mit dem Aufflackern des Bildschirms, mit diesem Startton, den sie nun schon so lange nicht mehr gehört hatte, passierte etwas in ihr. Es war wie ein Ruck, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Da war sie wieder: Irmi Mangold, Hauptkommissarin aus Schwaigen in Oberbayern.
    Sie ging ins Bad und schaute in den Spiegel, der zu hoch hing – dabei war sie wahrlich nicht klein. Sie reckte sich ihrem Spiegelbild entgegen und lächelte wieder. Auf einmal war es so mühelos. Als wäre es das Einfachste der Welt. Der Weg lag klar vor ihr, ein Weg, den sie schon verloren geglaubt hatte.
    Sie ging hinaus auf die steile Außentreppe, denn drinnen unter dem Dach war kein Empfang. Sie wählte eine Nummer und hatte im nächsten Moment ihren Chef am Apparat. Sie redeten ein paar Minuten. »Wir brauchen niemanden aus München«, lautete Irmis letzter Satz.
    Dann rief sie Kathi zurück. »Ihr müsst mit Hochdruck an der Identifizierung arbeiten. Es wird ein klein wenig dauern, bis ich zu Hause bin. Der Weg vom Polarkreis zurück in die Welt zieht sich.« Irmi lachte.
    Die Tränen traten ihr in die Augen, sie war so dankbar, so demütig. Wie oft hatte sie diesen Moment herbeigesehnt, den Moment, an dem sie sich wieder spüren würde, eine Irmi mit klaren Gedanken und klarem Blick. Sie hatte versucht, die Normalität herbeizukämpfen. Dann war sie wieder in ein tiefes Loch gefallen und hatte darüber nachgedacht, was eine berufsunfähige Polizistin wohl tun könnte. An der Supermarktkasse arbeiten? Oder putzen gehen? Dabei hasste sie Putzen!
    Und nun war es auf einmal so leicht, ohne Vorwarnung, ohne Kampf. Was Kathi erzählt hatte, war grausam und gruselig. Aber Irmi freute sich, denn das war es doch, was ihr Leben ausmachte. Sie musste forschen und wühlen in den Exkrementen menschlicher Leben, und diesmal freute sie sich darauf. Nicht auf die Exkremente, aber darauf, das zu tun, was sie konnte: genau hinsehen, genau hinhören.
    »Du kommst?« Kathi klang ungläubig.
    »Was für eine Frage! Wir reden von Unterammergau. Das ist ein Dorf voller Gallier. Da brauchen wir keine Münchner.«
    Wir – es jubelte in ihr. Wir, wir, wir.
    »Puh, da bin ich aber froh. He, du alter Bauerntrampel, du hast mir gefehlt«, sagte Kathi leise, und es klang ein wenig so, als schniefte sie.
    Natürlich war der Abschied am nächsten Tag etwas wehmütig. Ein letztes Mal

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