Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
war auf einmal allein. Es war so still. Ich weiß nicht, wie lange ich da herumstand. Irgendwann begann ein Schaf zu blöken. Die hatten ja Hunger.«
»Und dann haben Sie die Schafe und die Geiß in den Stall gebracht?«
»Ja, und den Brand gelegt. Ich hatte überlegt, ob ich die Polizei rufen sollte. Ich hätte sagen können, ich hätte die beiden Toten gefunden. Aber ich hatte solche Angst. Ich konnte doch Vroni nicht anschwärzen. Und meine Mutter. Sie ist doch meine Mutter. Andererseits wollte ich doch, dass sie gefunden werden.«
»Und da zündeln Sie und riskieren, dass Ugau den dritten Dorfbrand in seiner Geschichte erlebt?«, provozierte Kathi.
»Unsere Feuerwehr ist sehr gut. Und sehr schnell«, sagte Anna Maria.
Das klang so naiv, so gutgläubig, dass Irmi die Spucke wegblieb.
Sie saßen eine Weile schweigend da, bis Kathi sagte: »Ich fasse es nicht, dass Renate die Katze erschlagen hat.«
»Meine Mutter hasst Katzen. Ihr hat als kleines Mädchen mal eine unters Auge gebissen. Sie hatte Glück, dass sie ihr Augenlicht nicht dabei verloren hat. Man sieht die Narbe heute noch. Bei uns am Hof gibt es keine Katzen. Es ist bei Todesstrafe verboten, eine zu halten … «
Anna Maria wurde abgeführt.
Irmi und Kathi saßen einige Minuten schweigend da, bis Kathi fragte: »Glaubst du, Runa, oder besser gesagt Marit ist wirklich nur gestolpert?«
»Ich würde es gerne glauben! Vielleicht hat Vroni sie geschubst. Ich glaube, Vroni hat ihr ganzes Leben lang darunter gelitten, dass sie immer das patente Pummelchen war. Immer der Kumpel, immer die Nette. Nie die attraktive Dramaqueen, nie eine der Dorfschlampen, die jeden haben konnten. Vroni hat unter den Hänseleien mehr gelitten, als ihre Umgebung es bemerkt hat. Vor allem die Tatsache, dass Opa sie als Moppelchen bezeichnet, hat sie sehr getroffen. Und dann kommt da noch so eine schöne nordische Elfe in die Familie, die nicht nur allen das Erbe streitig macht, sondern außerdem Zuneigung bekommt. Das war zu viel, glaube ich.«
Kathi schwieg. Sie wusste ja auch nicht, wie es war, das Pummelchen zu sein und der ewige Kumpel. Kathi hatte immer aufseiten der Begehrenswerten gestanden. Irmi hingegen war lange in den Niederungen der pummeligen Kumpelfraktion herumgedümpelt.
»Sie hat vor allem ihre eigene Mutter enttarnt! Puh, das ist hart«, sagte Kathi schließlich.
Ja, das war grausam.
Und es war auf einmal so still, so kalt.
Vroni würde nicht weit kommen. Renate würden sie später verhaften. Das weitere Vorgehen wurde von der Staatsanwaltschaft entschieden und von den Gerichten. Irmi und Kathi würden noch etliche Zeugenaussagen aufnehmen müssen, abgeschlossen war das alles noch lange nicht. Die Gerichte würden häufiger Fälle mit dem Namen Schmid zu behandeln haben. In Sachen Diebstahl, Hehlerei, Totschlag oder doch Mord, unterlassener Hilfeleistung, Brandstiftung … Das beeindruckende kriminelle Fazit einer schrecklich normalen Familie im Ammertal.
Renate Schmid stand gerade in der Küche, als der Polizeiwagen vorfuhr, und schnitt Kräuter auf einem schweren Holzbrett. Schweigend folgte sie Sailer ins Auto.
Vroni stoppten sie an der Tankstelle Höhenrain, sie war kopflos Richtung München gefahren.
Åse und Runa wollten möglichst schnell abreisen, doch schon bald würde Åse mit Lore wiederkommen. Xaver Schmid war inzwischen in sein Haus zurückgekehrt. Tereza und ihre kernige Arbeitgeberin Gerti würden sich um ihn kümmern. Da war für Lebenslust gesorgt.
Die Staatsanwaltschaft hatte Anna Maria noch ein letztes Treffen mit Runa zugestanden, weil sie sich bei ihr entschuldigen wollte. Konnte man sich für den Tod entschuldigen?
Irmi brachte Runa und Åse an den Münchner Flugplatz. Sie checkten ihre Koffer ein, dann standen sie da und kämpften mit Tränen und Sprachlosigkeit. Bis Runa sagte: »Anna Maria will sich allem stellen. Sie hat mir gesagt, dass sie sich schon einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff organisiert hat, auf der Linie Kiel, Bergen, Nordkap. Ein ehemaliger Kollege ist dort der Kreuzfahrtdirektor. Er nimmt sie in jedem Fall. Egal, wie lang das alles hier dauert.«
»Das ist gut.« Mehr konnte Irmi nicht sagen. Sie drückte Åse, sie umarmte Runa und hatte dabei Angst, das zierliche Mädchen zu zerbrechen. Dabei war sie gar nicht so zerbrechlich, wie sie aussah.
Der Kreis schloss sich. Anna Maria würde die Lebensstationen ihres Opas sehen. Sie würde ihre neuen Verwandten in Tromsø besuchen kommen. Ihrer aller Leben
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