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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Das große Haus war hell erleuchtet.
    Breit, flach und lang stand es am Ufer des Rheins, der träge durch die Ebene floß. Seine Fenster leuchteten über das Wasser hin, über die gepflegte Wiese, die Rosenrabatten, das kleine Schwimmbecken mit den hellgrünen Kacheln und dem kleinen Park, der seitlich hinunter bis zum Ufer ging und die großen Glasflächen gegen Westen abschirmte. An der Auffahrt zur höher gelegenen Uferstraße hin stauten sich einige dunkle Wagen, milchig beschienen von den zwei kühn geschwungenen, modernen Laternen, die den Eingang des Hauses zierten.
    Im Inneren, in der großen Eingangshalle, standen ein paar Männer in hellen Sommeranzügen, rauchten, betrachteten die Gemälde an den hohen Wänden oder saßen in den tiefen Sitzschalen und lasen. Eine merkwürdige Stille lag über ihnen, eine Bedrückung, die so gar nicht zu dem Glanz paßte, den dieses Haus ausstrahlte, eine Dumpfheit, die wie ein Unheil durch die erleuchteten Räume zog.
    Durch die Halle, aus der Bibliothek des Hauses kommend, trat jetzt ein Mann in einem schwarzen Anzug, begleitet von einem anderen, dicken und jovial aussehenden Herrn, bei dessen Eintritt eine spürbare Spannung durch die Wartenden zog. Er blickte sich um und winkte ab, als einer der Lesenden sich erhob und die Zeitung zusammenfaltete.
    »Bleiben Sie sitzen«, sagte er gedämpft, so, als könne seine normale Stimme jemanden stören. »Es ist noch nicht soweit. Er verlangt den Pfarrer.« Der schwarze Herr neben ihm sah sich um.
    »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn Sie kommen können.«
    Kriminalrat Dr. Werner nickte. »Ich möchte ihn ganz gerne noch einmal sprechen.«
    »Wenn es möglich ist, werde ich es so einrichten.«
    Der Pfarrer ging durch die Halle, vorbei an den stummen, wartenden Männern und öffnete eine Tür im Hintergrund. Für einen kurzen Augenblick sah man gedämpftes Licht, einen hellblauen Teppich und die Kante eines hellen Bettes. Dann schloß sich die Tür, vorsichtig, leise, ganz langsam zugezogen.
    Dr. Werner lehnte sich gegen die getäfelte Wand und überblickte die Schar der stillen Männer.
    »Er spielt uns den letzten Streich«, sagte er leise. »Seit dreiundzwanzig Jahren jage ich ihm nach, seit dreiundzwanzig Jahren suche ich ihn. Er war schon ein Alpdruck für mich, so, als wenn ich ein Phantom fassen wollte. Und jetzt habe ich ihn … und er rennt mir wieder davon. Und jetzt endgültig!« Er sah hinüber zu einem der Männer und winkte. »Haben Sie eine Zigarre bei sich, Schmitz?«
    »Ja, Herr Kriminalrat.«
    »Einen Fliegentöter?«
    »Nee. Eine zu vierzig.«
    »Ich lass' mich überraschen. Na, geben Sie mal den Stengel her.«
    Kriminalwachtmeister Schmitz reichte seinem Vorgesetzten die Zigarre, die er aus der Brieftasche holte, was Dr. Werner kopfschüttelnd vermerkte.
    »Sie werden nie ein Zigarrenraucher, Schmitz. In der Brieftasche! Eine Vierziger! Sie hätten sich bei Ihrem Gehalt längst eine Zigarrentasche leisten können.«
    »Am nächsten Ersten, Herr Kriminalrat.« Wachtmeister Schmitz grinste. Er gab Dr. Werner Feuer und wartete darauf, was er sagte. Da Dr. Werner schwieg, meinte er vertraut: »Ist sie nicht gut, Herr Kriminalrat?!«
    »Vierzig Pfennig?« Dr. Werner sah Schmitz abschätzend an. »Da hat man Sie übers Ohr gehauen, Schmitz. Sie lernen es nie –«
    In dem Schlafzimmer am Ende der Halle saß der Pfarrer auf einem Hocker neben dem Bett. Die Vorhänge waren zugezogen, das Licht der Lampe war durch einen Schirm abgedämpft worden. Es roch im Raum nach Äther, süßlich, schwer, betäubend. Der Pfarrer schnupperte und sah den Mann an, der mit einem verzerrten Lächeln in den Kissen lag.
    »Der Arzt«, sagte Frank Gerholdt. Seine Stimme war tief, klangvoll, eigentlich zu kräftig für die gedrückte Atmosphäre, die über dem hellen Haus am Rhein lag. »Er wollte mich retten! Was kennt er von Chiquaqua …«
    »Chiquaqua?«
    »Ein südamerikanisches Gift. Die Iquitos-Indianer destillieren es aus einer Gebüschwurzel, die sie Chiquaqua nennen. Ein stilles, schleichendes Gift, das erst nach Stunden wirkt und das man nicht eindämmen kann, weil es in die Blutbahn geht. Es verdünnt das Blut, ganz langsam … es löst das Blut praktisch auf. Es zersetzt die Zusammensetzung des Blutes. Es gibt da kein Gegenmittel, Herr Pastor. Man kennt das Gift in Europa kaum, nur vom Hörensagen.«
    »Und Sie haben es eingenommen, Herr Gerholdt?«
    »Ja. Genau fünfundzwanzig Gramm … Sie genügen, mir einige Stunden Leben zu

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