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Schiffbruch Mit Tiger

Schiffbruch Mit Tiger

Titel: Schiffbruch Mit Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yann Martel
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Hätte Gott Krishna statt der Flöte einen Cricketschläger in der Hand gehabt, wäre Christus ihm im Schiedsrichterdress erschienen, hätte Mohammed, Friede sei mit ihm, auch nur das leiseste Talent im Bowlingspiel gehabt, dann hätte vielleicht auch Ravi einmal fromm geblinzelt; aber so schlief er den festen Schlaf der Gottlosen.
    Nach dem »Hallo« und dem »Guten Tag« kam ein verlegenes Schweigen. Der Priester brach es. »Piscine ist ein guter Christenjunge«, sagte er. »Ich hoffe, er wird bald im Kirchenchor singen.«
    Meine Eltern, der Pandit und der Imam machten ein verdutztes Gesicht.
    »Das muss ein Irrtum sein. Er ist ein guter Muslim. Nie versäumt er das Freitagsgebet, und er hat schon eine stattliche Zahl von Koranversen gelernt.« Sprach der Imam.
    Meine Eltern, der Priester und der Pandit machten eine ungläubige Miene.
    »Sie haben beide Unrecht«, meldete sich der Pandit zu Wort. »Er ist ein guter Hindu. Ständig sehe ich ihn im Tempel, er übt sich in
darshan
und
puja.«
    Meine Eltern, der Imam und der Priester waren verblüfft.
    »Ein Irrtum ist ausgeschlossen«, beteuerte der Priester. »Ich kenne diesen Jungen. Das ist Piscine Molitor Patel, ein gläubiger Christ.«
    »Ich kenne ihn ebenso gut«, versicherte der Imam, »und ich sage, er ist Muslim.«
    »Unsinn!«, rief der Pandit. »Piscine ist als Hindu geboren, er lebt als Hindu und wird als Hindu sterben!«
    Die drei Weisen starrten einander an, ungläubig, mit angehaltenem Atem.
    Herr, lasse sie ihre Augen von mir abwenden, flüsterte ich im Innersten.
    Aller Augen richteten sich auf mich.
    »Piscine«, fragte der Imam ernst, »ist das wirklich wahr? Hindus und Christen sind Götzendiener. Sie haben viele Götter.«
    »Und Muslims haben viele Frauen«, konterte der Pandit.
    Der Blick des Priesters wanderte vom einen zum anderen. »Piscine«, flüsterte er beinahe, »nur Jesus kann deine Seele retten.«
    »Dummes Geschwätz«, fuhr der Pandit ihn an. »Christen wissen nichts von Religion.«
    »Schon vor langem sind sie vom Pfade Gottes abgekommen«, pflichtete der Imam ihm bei.
    »Wo ist denn Gott in eurer Religion?«, schnaubte der Priester. »Ihr habt doch nicht ein einziges Wunder, das beweist, dass es Gott überhaupt gibt. Was ist denn das für ein Glaube, bei dem es keine Wunder gibt?«
    »Es ist eben kein Zirkus, bei dem die Toten aus den Gräbern hüpfen! Uns Muslims ist das Wunder des Lebens gut genug. Ein Vogel in den Lüften, ein Regentropfen, die Ähren auf dem Felde - das sind unsere Wunder.«
    »Nichts gegen Regen und Federvieh, aber wir wollen doch wissen, ob Gott mit uns ist.«
    »Tatsächlich? Na, Gott hat ja gesehen, was er davon hatte, als er mit euch war - umbringen wolltet ihr ihn! Mit dicken Nägeln habt ihr ihn ans Kreuz geschlagen. Behandelt ein anständiges Volk so seine Propheten?
Uns
hat der Prophet Mohammed - Friede sei mit ihm - das Wort Gottes ohne erbärmlichen Firlefanz gebracht, und er ist als alter Mann gestorben.«
    »Als ob das Wort Gottes einem jämmerlichen Kaufmann in der Wüste offenbart würde! Epileptische Anfälle hat er gehabt, vom Schwanken des Kamels; das hat nichts mit Gott zu tun. Oder es war ein Sonnenstich.«
    »Ihr würdet etwas zu hören bekommen, wenn der Prophet - F.s.m.i. - noch am Leben wäre«, knurrte der Imam, die Augen zusammengekniffen.
    »Aber das ist er eben nicht! Wir haben den lebendigen Christus, aber euer Es.m.i., der ist tot, tot, tot!«
    Der Pandit ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Auf Tamilisch sagte er: »Die entscheidende Frage ist doch: Warum gibt Piscine sich mit
fremden
Religionen ab?«
    Priester und Imam quollen fast die Augen aus den Köpfen. Sie waren beide Tamilen.
    »Gott ist weltumspannend«, protestierte der Priester.
    Der Imam nickte. »Es gibt nur einen Gott.«
    »Und der eine Gott genügt den Muslims, dass sie am laufenden Band Unruhe und Aufruhr damit stiften. Dass der Islam nichts wert ist«, verkündete der Pandit, »sieht man doch daran, wie ungewaschen die Moslems sind.«
    »Sprach der Sklaventreiber mit seinem Kastenunwesen«, schnaubte der Imam. »Hindus versklaven die Menschen und beten bunte Püppchen an.«
    »Das goldene Kalb. Vor den Kühen werfen sie sich in den Staub«, stimmte der Priester ihm zu.
    »Besser als vor einem Weißen! Christen sind die Lakaien des weißen Mannes. Sie sind eine Schande für alle farbigen Völker.«
    »Schweinefleischesser und Kannibalen«, rief der Imam in Erinnerung.
    »Piscine muss sich entscheiden« - der

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