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Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & William Rotsler
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Ziehen: Jetzt gab es wieder ein »oben« und »unten«.
    Sie kamen durch eine weitere Schleuse, und kurz darauf signalisierte Eddie Manx, sie könnten sich freimachen. Mit einem erleichterten Seufzer klinkte Lisa ihren Helm auf und setzte ihn ab. Kim übernahm ihn und klemmte sich ihn sorgfältig, wie einen kostbaren Besitz, unter den Arm. Der Kameramann kam zur Großaufnahme heran; Lisa sah ihn erst stirnrunzelnd an, dann nahm sie sich zusammen und lächelte.
    Es wäre erheblich leichter, wenn nicht die ganze Welt – aber das war vielleicht nicht wörtlich zu nehmen – jede meiner Bewegungen jede Miene beobachten würde, dachte sie. Ob es wirklich hilft, daß alle diese Milliarden Menschen Alpha und Omega anglotzen?
    Eine unbehagliche Stimmung kam auf, und Lisa fühlte sich verpflichtet, sie zu lockern. »Also, Eddie, diese … äh … alte Bude hat sich ja überhaupt nicht verändert.«
    »Ja, ja«, bestätigte er mit einem raschen Seitenblick auf den Kameramann. Er auch, dachte Lisa; wir alle spielen was vor. Helden und Heldinnen, Speerträger und anderes Kleinzeug. Ich hoffe nur, es sind keine Komiker oder tragische Helden dabei.
    »Werdet ihr irgendwann einmal ein drittes Deck bekommen?« fragte sie. Eddie Manx lächelte sie dankbar an. Das dritte Deck war ein sehr wunder Punkt. Die NASA meinte, es sei unbedingt notwendig, um den verstärkten Verkehr bewältigen zu können, auch als Wohnareal und Stauraum, zur Unterbringung eines erweiterten raumwissenschaftlichen Instrumentariums, und zu mancherlei anderen Zwecken. Mit ihrer Frage gab sie Eddie Manx Gelegenheit zur weltweiten Darstellung dieses Problems. Voller Selbstvertrauen ließ er eine vermutlich sehr sorgfältig vorbereitete Rede los, in der er die Notwendigkeit eines dritten Decks herausstrich. Lisa lächelte und nickte dazu, doch ihre Gedanken waren weit weg.
    Schiwa. Angst. Diego.
    Sie hatte ausdrücklich nicht nach ihm gefragt, weil ihr daran lag, möglichst cool und professionell zu wirken. Es hatte ihr auch niemand etwas gesagt. Alpha hatte angelegt, aufgetankt und wieder abgelegt. Routine.
    Eddie Manx stellte ihr eine mehr rhetorische Frage, und sie antwortete mit den gängigen NASA-Slogans: Unsere Zukunft ist der Raum, im Weltraum liegt die Lösung aller Probleme, denkt doch nur daran, was alles Gutes schon aus ihm gekommen ist. Auch das war Routine. Jeder Astronaut hatte fertige, von der NASA vorgeformte Antworten auf hundert Fragen parat. Und alle Antworten stimmten. Die Menschheit brauchte die Expansion in den Raum. Schiwa war der beste Beweis dafür.
    Als der Kommandant sein Sprüchlein gesagt hatte, sprang Steve Megan ein. »Dieser Russe, Zaborowskij – kommen Sie gut mit ihm aus?«
    Lisa mußte ihre Antwort einen Augenblick lang überlegen. Außer ein paar Höflichkeiten und arbeitsbezogenen Bemerkungen hatte sie mit dem Russen kaum ein Dutzend Worte gewechselt. »Colonel Zaborowskij ist ein perfekter Profi«, entgegnete sie; »in jeder Phase der Mission hat er hundertprozentige Kooperation gezeigt.«
    Das ist ein Stück, dachte sie, ein Theaterstück, in dem die Darsteller nur eine vage Idee von dem Text haben. Aber schließlich war das ganze Leben Improvisation. Man kam nie dazu, die wirklich wichtigen Dinge zu üben. Ich lebe nach der Skizze, dachte sie; aber vielleicht werden die Geschichtsbücher Ordnung schaffen, glätten, das Ganze heilmachen. Falls es noch Geschichtsbücher geben wird.
    »Und Carl Jagens, was halten Sie von ihm?« rief der Kameramann herüber. Lisa ignorierte die Frage und wandte sich an Eddie Manx: »Wie lange noch, Eddie?«
    Der kleine untersetzte Manx blickte auf seine Uhr. »Haufenweise Zeit noch, Lisa, keine Angst. Hören Sie, wie wäre es mit einem Drink?«
    »Nein, danke, jedenfalls keinen Alkohol. Wasser?« Sie spürte die verminderte Schwerkraft; es machte sie ein bißchen schwindlig. Sie blickte auf die Außenwand. Dort, hinter dem dicken Plastikbullauge, drehten sich die Sterne. Während sie hinaussah, kam die Erde ins Blickfeld: eine schwarze Scheibe im Gegenlicht der Sterne mit einer hellen Sichel an dem einen Rand. Gegen das samtene Dunkel konnte sie einzelne Lichtpunkte, oder eigentlich Flecken, unterscheiden. Städte. Tokio, wo Tausende Selbstmord begangen hatten. Peking, wo es Aufstände gegeben hatte, die niedergekämpft worden waren. Bombay, wo das Sterben von Millionen zum Alltag gehörte. Die Vereinten Nationen hatten sogar Bulldozer zum Wegräumen der Toten eingeflogen. Chicago, wo die

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