Schiwas feuriger Atem
Orbitierende Astronomische Observatorium auf Station III Schiwa ebenfalls verfolgte und dabei den Stern Capella als Referenzpunkt benutzte, weil er hell war und in Nähe der Sichtlinie stand. Bei der abschließenden Dienstbesprechung hatte man ihnen wieder gesagt, daß die Erd-Observatorien nur bedingt Unterstützung bieten konnten. Sehr wichtig war es, zu den anderen Schiffen, dem OAO und der NASA-Betriebszentrale Verbindung zu halten. Wieder ließ Nino die Liste sinken. In Erinnerungen verloren, blickte er aus dem Fenster in die Sterne.
Auf seinem fünften Flug mit der Raumfähre war das Bordradar ausgefallen, und es herrschte großer Andrang zum Parking-Orbit. Und ausgerechnet hatte der VIPs an Bord, und auch noch Ersatzteile für den Sonnenkraft-Transformator der Station I. Nicht grade die wichtigste Fracht der Welt, aber immerhin wichtig genug. Mikrometeoriten hatten Haupt-Sonnenkollektor und Transformator beschädigt. Schon vor Stunden hatte es so ausgesehen, als ob die ausfallen würden. Dann würden Millionen Menschen ohne Strom sein, bis das Nordamerikanische Netz angeschaltet werden konnte. Also hatte Captain Solari das Schiff hereingesteuert, manuell, auf Sicht, ohne auf die hysterischen Radioanweisungen zu hören. Er hatte ein erstklassiges, stoßfreies, perfektes Anlegemanöver zustandegebracht. Das war noch Fliegen, richtiges Fliegen. So wie Luftkampf in der Atmosphäre, weit draußen, in den äußersten Schichten der Biosphäre, wo man den Feind überlisten und besiegen mußte.
Solari seufzte. Der einzige Krieg, an dem er teilgenommen hatte, war kurz gewesen, ein politischer Krieg aus Stolz und Unvernunft; aber zwei Feinde hatte er abgeschossen, Mann gegen Mann, ein Rekord, den nur noch ein Pilot außer ihm erreicht hatte, und der war ein feindlicher Pilot gewesen. Nervös schlug er auf die Checkliste und versuchte erneut, sich zu konzentrieren. Er mußte es lernen.
Lisa, vom Rascheln des Papiers aus ihren fernen Gedanken gerissen, fuhr hoch. Sie schaute zu Solari hinüber und sah sein finsteres Stirnrunzeln, den bösen Blick. So ein Gesicht machte er immer, wenn er sich konzentrierte. Du bist hundert Jahre zu spät geboren, Nino. Du hättest beim Ersten Weltkrieg dabeisein müssen, am Steuerknüppel einer französischen Spad oder bei der deutschen 2. Jagdstaffel, mit dem Kompaß als einzigem Instrument. Sie lächelte; doch ihr Lächeln verging rasch, als sie wieder an Diego denken mußte.
Sie liebte ihn, und doch kam es ihr unvernünftig vor, daß man nur einen Mann und keinen anderen lieben sollte.
Wir sind nun mal nicht so, wenigstens ich nicht. Warum regen sich die Leute auf, wenn man sagt, man liebt mehr als einen? Man hat doch auch mehrere Freunde; warum soll man nicht auch mehr als einen Menschen lieben, wirklich lieben? Das wäre doch sicherlich realistischer.
Lisas Augen huschten automatisch über die Konsolen, prüften, verglichen. Hat diese Einstellung vielleicht genetische Gründe? fragte sie sich. Haben sich vielleicht die Männer das ausgedacht, damit sie »wissen«, ob ihre Kinder auch wirklich ihre Kinder sind? Hört sich mächtig nach Höhlenmensch an, wie so vieles, das man »tut« oder »nicht tut«. Waren die Kinder eines Mannes von seinem Blut, so würden sie ihm Rückhalt bieten, ihn schützen, ihm helfen. Waren sie dagegen Nachkommen eines anderen Mannes – wie konnte er ihnen dann trauen?
Sie seufzte. War das falsch an ihrer Logik? Eines konnte sie nicht begreifen: warum lief die Abstammungslinie, wenigstens in den meisten Kulturen, ausschließlich durch das männliche Geschlecht? Die weibliche Abstammungsfolge war doch das Einleuchtendere. Es ist einfach zu sagen: dieses Kind ist aus dem und dem Mutterleib gekommen; aber nicht so einfach, mit Sicherheit zu sagen, daß sein Same aus dem und dem Penis gekommen ist.
Unwillig schüttelte sie den Kopf, um ihn klar zu kriegen. Was für Gedanken! Wenn ich nicht klaren Kopf behalte, gibt’s vielleicht weder für mich noch für sonst jemanden Kinder! Sie beugte sich vor, schaltete das Radio an und sprach ins Mikrophon:
»Omega I an Alpha II, bitte kommen!« Nach kurzer Pause wiederholte sie: »Omega I an Alpha II…«
»Omega I, hier ist Alpha II – over.«
»Colonel Calderon?«
»Hei, Lisa! Wie geht’s dir denn?«
»Alles klar. Was macht Bolschoi? «
»Zieht prima mit. Wir brauchen bloß ›hü‹ zu sagen, und er kommt.«
»Diego…« Beide wußten sie, daß alles mitgehört, auf Band genommen und möglicherweise
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