Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Aber ich muss Lena abholen. Langsam beginne ich zu ahnen, dass mein gerade begonnenes glückliches Leben ein Ende hat.
Die Begrüßung im Internat durch den Direktor ist frostig, Lenas Koffer stehen schon gepackt in der Eingangshalle. Sie wirkt müde, freut sich aber, mich zu sehen, und folgt mir wie in Trance zum Flughafen. Auch ich funktioniere seit dem Anruf wie mechanisch. Zu Hause in Berlin versuche ich erst einmal, sie zu beruhigen. Ich mache ihr etwas zu essen, lasse ihr ein Bad einlaufen und beobachte sie heimlich. Ist etwas an ihr merkwürdig? Ich habe keine Erfahrung mit den Auswirkungen von Drogen. Wieder erzählt sie von der schlechten Behandlung in der Krankenstation, den unfreundlichen Mädchen. Mir fällt auf, dass sie etwas albern vor sich hin kichert. Ich versuche, sie auf andere Gedanken zu bringen, aber sie erzählt dieselbe Geschichte immer wieder. Ich tröste sie, bin aber gleichzeitig wütend auf das Internat. Selbst wenn sie Drogen genommen hätte, wäre das doch kein Grund, eine Schülerin so zu behandeln. Nimmt Lena wirklich Drogen? Wie kann ich das herausfinden? Kann ich sie allein lassen?
Ich frage mich, wie es nun weitergehen soll. Für Lena muss ich in Berlin eine neue Schule finden. Im Büro muss ich mich um meine Klienten kümmern und eine Präsentation vor einem wichtigen Gremium vorbereiten. Für die nächste Woche ist der Umzug geplant, und die alte Wohnung muss renoviert werden. Wo soll Lena in dieser Zeit bleiben? Ich wage nicht, sie allein zu lassen. Eine Freundin weigert sich, Lena für ein paar Tage aufzunehmen, sie hat Angst. Lena muss also mit zu mir ins Büro. Meine Mitarbeiterinnen beschäftigen sich freundlich mit ihr und geben ihr kleine Aufgaben. Ein Kollege übernimmt selbständig die Organisation des Umzugs und der Renovierung. Ich versuche, den Seminarbetrieb aufrechtzuerhalten und mich abends um Lena zu kümmern. Ihr Verhalten schwankt zwischen infantilem Lachen und schlechter Laune, wenn ich ihr nicht sofort jeden Wunsch erfülle. Vor Anspannung schlafe ich schlecht, arbeite mehr denn je und habe ständig Angst, dass irgendetwas nicht klappt.
Keine Drogen
Wieder ein Anruf aus England: Der Test ist negativ, Lena hatte also doch keine Drogen genommen. Merkwürdigerweise bin ich nicht erleichtert, sondern noch beunruhigter als nach dem ersten Anruf. Wenn Drogen nicht die Ursache für Lenas seltsames Verhalten sind, was ist dann mit meiner Tochter los? Ich frage den Direktor, warum sie Lena überhaupt verdächtigt hatten, Drogen genommen zu haben, und er berichtet, dass man Lena abends rauchend am Seeufer im Park gefunden habe. Da Rauchen verboten ist, wurde sie von der Lehrerin streng ermahnt, worauf sie merkwürdig reagierte. Sie blieb einfach ruhig sitzen und rauchte weiter, lächelte vor sich hin und wollte nicht zurück in den Schlafsaal. Deshalb wurde Lena zum Drogentest ins Krankenhaus in die nächstgelegene Stadt gebracht und anschließend in die Krankenstation des Internats, um sie von den anderen Kindern zu isolieren. Warum sie auf der Krankenstation von den anderen Schülerinnen und der Schwester so unfreundlich behandelt worden sei, frage ich. Der Direktor ist erstaunt. Lena sei allein in der Krankenstation gewesen, nur die Krankenschwester habe sich freundlich um sie gekümmert. Aber Lena hat doch erzählt …? Warum berichtet sie glaubhaft von Schülerinnen, die sie auslachen, obwohl sie doch alleine dort war? Weshalb behauptet sie, dass die Krankenschwester sie anschreit und ihr nichts zu trinken gibt? Ich habe keinen Grund, an den Aussagen des Direktors zu zweifeln, der jetzt auch besorgt ist und fragt, ob ich nicht doch mit Lena zum Arzt gehen wolle. Ich bin verwirrt und beunruhigt, begreife aber, dass ich dringend etwas unternehmen muss. Ein Arzt muss herausfinden, was mit ihr los ist.
Als Lena und ich bei einer Psychiaterin kurzfristig einen Termin bekommen, ist Letzterer sofort alles klar. Lenas Zustand sei auf ihren früheren Haschischkonsum zurückzuführen, sagt sie nur. Sie ermahnt Lena, auf keinen Fall mehr Drogen zu nehmen. Lena verspricht alles. Ich bin immer noch ahnungslos, welcher Zustand gemeint sein könnte. Weitere Hinweise oder Ratschläge bekommen wir nicht.
Ein neuer Schock: Eine Mitarbeiterin bittet mich in einem vertraulichen Gespräch darum, Lena doch nicht immer so anzuschreien. Das würde meine Tochter sehr belasten. Ich bin fassungslos. Ich soll Lena anschreien? Jeden Abend versuche ich, sie mit Freundlichkeit und warmem
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