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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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er sich zu ihr ins Bett legte. Er küsste ihre Brüste, und ein Bein schob sich zwischen ihre, während er sie in die Matratze drückte.
    Sie sah ihn an. Aber eigentlich nahm sie ihn gar nicht richtig wahr. Sie konnte nicht aufhören, an Jesse zu denken. Es war zu früh dafür. Schuldgefühle quälten ihr Herz. Sie bekam keine Luft. Trotz allem war Jesse nicht vollkommen tot. Er würde niemals sterben, denn er lebte weiter in ihr … in dem Teil von ihr selbst, dem sie vertraute. Er war in Tausenden Gedanken, im Lachen, das von Herzen kam, in Geheimnissen, Gesprächen und Wünschen, die ihre Erinnerung bewahrt hatte und die sie mit ins Grab nehmen würde.
    Ihr Herz lief über vor Wehmut, und sie war den Tränen nahe. Sie kämpfte gegen die Dunkelheit an, die sie zu verschlingen drohte. Sie spürte Bondurants Herzschlag an ihrem, schmiegte sich an ihn, aber ihre Arme fühlten sich wie Gummi an.
    »Du kannst nicht«, flüsterte er. Sie konnte ihn kaum hören bei dem Trommelsolo an der Fensterscheibe. Er stützte den Ellbogen auf und legte das Kinn in die Handfläche. Er musterte sie, und sie erwiderte seinen Blick. Sie biss sich auf die Lippe. Er hatte recht. Sie konnte nicht. Es war nichts anderes als vernunftgesteuertes Leugnen. Sie hasste ihr Einsiedlerdasein. Sie wünschte sich Liebe und Leidenschaft, wollte nichts sehnlicher – ein Gefühl, das völlig verschwunden war. Aber dennoch konnte sie nicht akzeptieren, dass in ihr ein Feuer entfacht worden war, das vollkommen neu für sie war. Er beugte den Kopf und küsste sie wieder. Sie unternahm einen weiteren Versuch, ihn wegzuschieben, und am Rand des Abgrunds nach etwas zu greifen. Dann fiel sie, brachte ihre inneren Stimmen zum Schweigen und ließ sich in die Dunkelheit hinabfallen.

31
     
    Máire erwachte allmählich und begann langsam, ihre Umgebung wahrzunehmen. Es war warm. Sie lag in Luis Bondurants Schlafzimmer im Bett und fühlte sich fast ausgeruht, aber die Erlebnisse des vergangenen Abends lauerten unter der Oberfläche ihres Bewusstseins, und ihr Blick verdüsterte sich. C.J. war mit Sicherheit tot. Bisweilen wurden vermisste Personen nie gefunden. Máire wusste, dass zwischen ihr und C.J. eine Verbindung bestehen bleiben würde bis zu ihrem letzten Tag, begleitet von der Erkenntnis, dass sie versagt hatte … und einen Menschen im Stich gelassen hatte. Wieder. Es war ungerecht, dass C.J. sterben musste, nachdem sie mit letzter Kraft um ihr Leben gekämpft hatte und der Rettung so nahe gewesen war. Der Gedanke daran war kaum zu ertragen.
    Máire sah zum Fenster. Die Lamellen standen waagerecht, und sie sah das spanische Moos der Eichen im Regen wehen, der, wie es ihr jetzt schien, schon seit Anbeginn aller Zeiten fiel. Eine Mücke summte blutdürstig um ihren Kopf. Sie schlug danach, stieg langsam aus dem Bett und zog sich an. Bondurant streckte den Kopf zur Tür herein und sagte: »Komm, ich habe Kaffee gemacht, und es gibt Spiegeleier.«
    »Wunderbar«, sagte sie.
    Vielleicht war das Leben trotz allem lebenswert.
    Sie ging ins Bad, spritzte sich Wasser ins Gesicht und spülte sich mangels Alternative den Mund mit Zahnpasta aus. Sie seufzte, als sie in den Spiegel blickte, und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, ohne die platt gedrückte Frisur merklich zu verbessern.
    Máire hatte Hunger. Die Tür zur kleinen Küche stand offen, und sie hörte ihn darin rumoren. Es duftete herrlich nach gebratenem Speck und Kaffee.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte Máire und trat in die Küche.
    »Ah, da bist du … nein, setz dich und trink eine Tasse Kaffee!«, erwiderte er, gab ihr einen Kuss auf die Wange und schenkte die schwarze Flüssigkeit ein. »Na, habe ich nicht gesagt, dass es beim Sheriff Kaffee gibt, wann immer du vorbeikommst?«
    »Ja«, sagte sie. »Unter anderem …«
    Er setzte sich an den Tisch und bestrich eine Scheibe geröstetes Brot. Er lächelte sie an: »Unter anderem …«
    Máire setzte sich auf den Stuhl gegenüber und trank einen Schluck Kaffee. Er schmeckte kräftig und bitter und vermischte sich im Mund mit dem Zahnpastageschmack. Sie verzog das Gesicht.
    Er nahm einen Schluck und fragte amüsiert: »So schlimm? Willst du lieber etwas anderes?«
    »Ja, Saft vielleicht, wenn du hast.«
    »Ich habe keinen, aber ich kann welchen machen.«
    »Nein, das ist nicht nötig. Ein Glas Wasser tut’s auch.«
    »Doch, doch. Ich mache welchen. Kein Problem, ich habe alles da.« Er stand auf und begann, im Schrank zu wühlen. »Hier«, sagte er

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