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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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Geste, fast schon entschuldigend, die gerade erfahrene Zurückweisung ungeschehen machen. Er hatte wirklich Glück, der Mann.
    Ich dachte daran, dass die vier Ruderer gerade noch bei der Siegerehrung gewesen waren, zusammen mit ihrem jungen, dünnen Steuermann. Daran, wie sie die Arme hochgerissen und gelacht hatten. Die Fotoapparate ratterten, die Sonne blinkte auf dem Wasser, drei Mädchen in Miniröcken brachten auf Silbertabletts die Medaillen, die ein älterer Würdenträger im Anzug ihnen umhängte. Die Sieger schienen locker zu sein und winkten ihren Freunden und Eltern im Publikum zu. Die Nationalhymne spielte, sie rissen sich einen Moment zusammen, aber kaum war die Musik verklungen, hüpften sie schon wieder auf dem Steg herum. Am Ufer hatte Arnes Freundin mit seinen Klamotten gestanden, erwartungsvoll lächelnd, weil sie wusste, dass er ihr gleich seinen Blumenstrauß schenken würde.
    Ich stand daneben mit meiner alten Nikon in der Hand und fühlte mich wie ein Komparse. Früher hatte ich davon geträumt,selbst einmal bei einer Weltmeisterschaft ganz oben auf dem Siegerpodest zu stehen, aber dazu war ich als Sportler nie gut genug. Immerhin war ich dabei, und die Champions duzten mich.
    Sie kennen mich alle unter dem Namen Paco Müller. In meinem Pass steht zwar Rolf, aber wer will schon so heißen? In Kombination mit Müller auch noch. Als Paco Müller war ich viele Jahre lang eine feste Größe in der Szene, ich gehörte zum Bühnenbild des Leistungssports. Einer, der mit allen redete, ob großer Star oder kleiner Balljunge, der sich überall auskannte und immer eine Geschichte auf Lager hatte. Damit kam ich zurecht. Meine Frau hatte bis dahin als Grundschullehrerin die nötige Stabilität mitgebracht, auch nach der Geburt unserer Tochter arbeitete sie weiter. Viel erreicht habe ich nach der Trennung nicht mehr.
    Ich zündete mir eine Kippe an, zog an der Zigarette, stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus und warf einen erwartungsvollen Blick in die Runde.
    »Und?«, fragte ich vage. »Wie war das Rennen?«
    Arne nahm einen Schluck.
    Er sagte: »Das hast du doch gesehen. Nech?«
    »Das deutsche Quartett genießt seinen Titelgewinn in vollen Zügen«, schrieb ich später mit Hinweis auf das Bier, das sie mit einem Durst tranken, um den ich sie beneidete. »In einem ungeheuerlichen Kraftakt zwangen die vier Hünen aus dem Norden ihre Gegner nieder.«
    Den Start hatten die vier verschlafen. Über die halbe Strecke ruderten sie dem Rückstand hinterher, der Zweifel schien bereits an ihnen zu nagen – ich konnte es auf dem Bildschirm sehen, der ihre von einem Katamaran aus aufgenommenen Gesichter zeigte –, als sie als Vierte die 1000-Meter-Marke überfuhren. Aber irgendetwas in Hansens verzerrtem Gesicht zeigte mir,dass das noch nicht alles war. Er hätte eine Niederlage nicht akzeptiert. Ich sah, dass er noch eine Rechnung offen hatte in diesem Rennen. Er wusste, was er tun musste, das Muster saß in seinem Kopf und in seinen Muskeln. Er hatte es schon viele Male umgesetzt. Vor drei Jahren hatte er so den Deutschland-Achter zu seinem triumphalen Olympiasieg getrieben. Und er wusste, auch diesmal würde es funktionieren.
    Die anderen zogen mit, weil sie nicht anders konnten. Weil Hansen der Herr dieses Rennens war. Ich schrieb: »Er war der Dirigent des ganzen Orchesters, das da auf dem Fluss unterwegs war, nicht nur seiner eigenen Mannschaft, die jetzt auf ein Zeichen von ihm wartete, um verstehen zu können, warum noch nicht alles aus war. Er bestimmte von nun an die Choreographie des gesamten Starterfelds.« In der Redaktion einer der Zeitungen, die ich belieferte, hing der Ausschnitt eine Zeitlang sogar am schwarzen Brett.
    Hansen zog die Schlagzahl an, und die anderen zogen mit. Er war der Stärkste, und weil er der Stärkste war, bestimmte er allein, was in den folgenden drei Minuten geschah. Er spürte die Energielage im Feld und schien zu wissen, wie er seine Kräfte dosieren musste, um die anderen kleinzukriegen, einschließlich der Rumänen, die seinem langen und zähen Zwischenspurt bis zur 1500-Meter-Marke widerstanden und 500 Meter vor dem Ziel immer noch eine Sekunde vorne lagen. Doch auch von dieser Sekunde hatte Hansen bereits Besitz ergriffen, er wusste, er würde sie fressen. Die drei anderen zogen mit, es war nicht das erste Mal, dass er seinen Mannschaftskameraden allein durch seine Sicherheit und ihr Vertrauen in seine Kraft Leistungen abforderte, die sie ohne ihn nicht hätten

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