Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangen im Paradies

Schlangen im Paradies

Titel: Schlangen im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
über das Zusammentreffen mit Ted übersehen hatte. Mins Zuneigung für Leila war echt, ihr Schmerz nach Leilas Tod nicht gespielt. Doch Helmut? Der feindselige Ausdruck, mit dem er Leilas Bild betrachtet hatte, seine hinterhältigen Andeutungen, daß Leila äußerlich verloren habe … Was hatte diese Gehässigkeit ausgelöst? Sicherlich nicht nur Leilas Sticheleien, mit denen sie ihn, den «Spielzeugsoldaten», bedachte. Wenn er sie mitbekam, war er stets amüsiert. Sie erinnerte sich an den Abend, an dem er zum Dinner in Leilas Apartment erschienen war, angetan mit einem hohen, altmodischen Tschako.
    «Ich bin bei einem Kostümverleih vorbeigekommen, sah ihn im Schaufenster und konnte nicht widerstehen», erklärte er, als alle ihn mit Beifall begrüßten. Leila hatte schallend gelacht und ihn geküßt. «Hoheit, du bist ein prima Kerl», sagte sie.
    Was also hatte seinen Zorn erregt? Elizabeth rieb das Haar trocken, bürstete es zurück und steckte es zum Chignon auf. Als sie das Make-up auflegte und Lippen und Wangen mit Glanzpu-der bestäubte, hörte sie deutlich Leilas Stimme: «Mein Gott, Spatz, du wirst von Tag zu Tag attraktiver. Du kannst wirklich von Glück sagen, daß Mama ein Verhältnis mit Senator Lange hatte, als du gezeugt wurdest. Erinnere dich nur an ihre anderen Männer. Hättest du etwa Matt gern zum Vater gehabt?»
    Im Sommer vergangenen Jahres war sie mit einem Ensemble auf Tournee. Als sie in Kentucky gastierten, hatte sie im Archiv der führenden Zeitung in Louisville nach Unterlagen über Eve-rett Lange geforscht. Die Veröffentlichung des Nachrufs lag damals vier Jahre zurück. Er enthielt Einzelheiten über Familie, Ausbildung, Ehe mit einer Angehörigen der Oberschicht, Lei-stungen im Kongreß. Auf dem Foto hatte sie ihr männliches Ebenbild entdeckt … Wäre ihr Leben anders verlaufen, wenn sie ihren Vater gekannt hätte? Sie verdrängte den Gedanken.
    In Cypress Point Spa war es Usus, daß man sich zum Dinner umzog. Sie entschied sich für ein weites Deux-pièces aus wei-
    ßem Seidenjersey mit Bindegürtel und dazu silberne Sandalen.
    Sie fragte sich, ob Ted und die anderen nach Monterey ins Cannery gefahren waren, von jeher sein Lieblingslokal.

    Vor drei Jahren war Leila plötzlich abberufen worden, weil ein paar Szenen nachgedreht werden mußten, und Ted hatte sie an einem Abend ins Cannery eingeladen. Sie saßen stundenlang dort und unterhielten sich. Damals erzählte Ted ihr von den Sommern, die er bei seinen Großeltern in Monterey verbracht hatte, vom Selbstmord seiner Mutter, den er als Zwölfjähriger miterlebt hatte, von der tiefen Verachtung für seinen Vater. Und er sprach von dem Autounfall, bei dem seine Frau und sein Kind ums Leben gekommen waren. «Ich war unfähig zu arbeiten», sagte er. «Fast zwei Jahre lang war ich wie gelähmt, ein Schatten meiner selbst. Wenn Craig nicht gewesen wäre, hätte ich die Geschäftsleitung abgeben müssen. Er übernahm meine Aufgaben. Er wurde mein Sprachrohr. Er war praktisch mein zweites Ich.»
    Am folgenden Tag stellte er fest: «Du bist eine sehr gute Zu-hörerin.»
    Es war ihm offensichtlich peinlich, ihr so viel Einblick in sein Privatleben gewährt zu haben.
    Sie zögerte ihren Aufbruch bewußt bis kurz vor Ende der
    «Cocktail»-Stunde hinaus. Auf dem Weg zum Hauptgebäude blieb sie stehen, um die Szenerie auf der Veranda zu beobachten. Das hellerleuchtete Haus, die gutangezogenen Menschen, die sich unterhielten, lachten, ihren sogenannten Cocktail schlürften, von einer Gruppe zur anderen wanderten.
    Sie war empfänglich für die atemberaubende Schönheit des nächtlichen Sternenhimmels, das kunstvolle Arrangement der Laternen, die den Weg erhellten und die Blüten an den Hecken aufleuchten ließen, das sanfte Rauschen des Meeres und hinter dem Hauptgebäude den drohend aufragenden Schatten des römischen Bades, dessen schwarze Marmorfassade im Widerschein fluoreszierte.
    Wohin gehöre ich eigentlich, fragte sich Elizabeth. Während der Arbeit in Europa war es leichter gewesen, das Gefühl der Isolation, der Entfremdung von allen Mitmenschen zu vergessen, die zum festen Bestandteil ihres Daseins geworden waren.
    Sobald der Film abgedreht war, eilte sie nach Hause in der Überzeugung, in ihrer Wohnung einen sicheren Hort, in der vertrauten Umgebung von New York tröstliche Geborgenheit zu finden, doch innerhalb von zehn Minuten gab es nur noch den zwanghaften Wunsch zu fliehen, so daß sie sich an Mins Einladung klammerte

Weitere Kostenlose Bücher