Schlangenhaus - Thriller
…«
Ich unterbrach das Gespräch, um ein paar Worte mit der Pflegerin zu wechseln, die unsere Kleintiergehege betreute. Allen Patienten gehe es gut, berichtete sie. Ich überquerte mit Dr. Richards eine kleine Brücke, und wir erreichten den See.
»Und nach dem Examen habe ich erst ein paar Monate als Assistenzärztin im Zoo von Chester gearbeitet, dann war ich ein Jahr in Australien und habe dort bei einem Forschungsprojekt über Reptilien mitgeholfen«, setzte ich hinzu, als mir klar wurde, dass Dr. Richards auf mehr wartete. »Manchmal arbeite ich auch ehrenamtlich in der Vermittlungszentrale für Reptilien in Bristol. Aber die letzten vier Jahre war ich hier. Und ich fürchte, wir bekommen nicht oft Reptilien zu sehen.«
Wir machten halt, um den Wasservögeln auf dem See zuzusehen. Dort war es voller als sonst, weil im Frühling oft kerngesunde Exemplare auf einen kurzen Besuch vorbeischauten. Dr. Richards beobachtete ein Moorhuhn, das im Schilf herumplanschte.
»Um die Wahrheit zu sagen, Clara«, sagte er, nachdem ich meinen Lebenslauf in Sachen Reptilien zu Ende vorgetragen hatte, »im Krankenhaus weiß niemand, dass ich hier bin.«
Ich schwieg.
»Sie wissen ja bestimmt, dass es höchst ungewöhnlich ist, dass ein gesunder Erwachsener an einem Kreuzotterbiss stirbt, selbst jemand in so fortgeschrittenem Alter wie Mr. Allington«, fuhr Richards fort. »Gleich nachdem er eingeliefert worden war, haben wir Blut von ihm in ein Speziallabor geschickt. Die Schlange, die ihn angeblich gebissen hatte, war uns ausgehändigt worden, aber trotzdem mussten wir genau wissen, womit
wir es zu tun hatten. Ein paar Tage später haben wir die Ergebnisse bekommen.«
»Und?«
»In seinem Blut war Kreuzottergift vorhanden, daran bestand kein Zweifel.«
»Sie sagen, die Schlange ist gefunden worden«, hakte ich nach und fragte mich langsam, wo das alles hinführte. »Und sie ist als Kreuzotter identifiziert worden.«
Richard griff in seine Schultertasche und zog einen verschlossenen, durchsichtigen Plastikbeutel heraus. Darin befand sich eine kleine Schlange, die offensichtlich schon seit einigen Tagen tot war. »Sie lag im Garten, ganz in der Nähe der Stelle, wo sein Gärtner Mr. Allington gefunden hat«, erklärte Richards. »Er hatte es noch geschafft, sie zu erschlagen, ehe er das Bewusstsein verloren hat.«
Ich nahm dem Arzt den Beutel ab und hielt ihn hoch, um einen genaueren Blick auf den Inhalt werfen zu können. »Er wurde bewusstlos eingeliefert?«, wiederholte ich.
»Ja, aber das lag an seiner Kopfverletzung. Wir glauben, dass er gestürzt ist und sich den Kopf angeschlagen hat, möglicherweise als ihm schlecht wurde. Und um das Maß vollzumachen, ist er auch noch in seinem Teich gelandet, und der ist nach allem, was man hört, ziemlich tief. Zum Glück war sein Kopf nicht unter Wasser. Obwohl, letzten Endes …«
»Stimmt«, murmelte ich und gab ihm den Beutel zurück. Allmählich teilte ich Dr. Richards’ Unbehagen angesichts von John Allingtons Tod. »Und, hat er das Bewusstsein wiedererlangt?«
»Ja. Aber das hat nicht viel geholfen. Er konnte sich eigentlich an nichts erinnern, und am Ende war er kaum noch ansprechbar. Extremes Erbrechen, Atemnot und Verlust jeglicher Kontrolle über seine Gliedmaßen. Außerdem hatte er hohes Fieber.«
»Kreuzottergift ist im Frühling wirksamer«, meinte ich. »Wenn sie aus dem Winterschlaf aufwachen. Gab es irgendwelche Vorerkrankungen? Herzschwäche? Atemwege?«
»Nichts. Er war neunundsechzig, aber für einen Mann in seinem Alter war er bei bester Gesundheit.«
»Menschen, die gegen Wespen- und Bienenstiche allergisch sind, können manchmal sehr heftig auf Kreuzottergift reagieren. Könnte das eine Erklärung sein?«
»Das haben die von der Giftzentrale auch gesagt. Aber keines von seinen Symptomen hat auf eine allergische Reaktion hingedeutet. Nur auf eine sehr schwere Vergiftung.«
»Darf ich fragen, wie Sie ihn behandelt haben?« Unwillkürlich interessierte mich das Ganze schließlich doch.
»Als er eingeliefert wurde, haben wir die Bisswunde gereinigt und ihm eine Tetanusspritze gegeben. Dann habe ich die Giftzentrale angerufen. Die haben mir gesagt, ich soll ihn genau im Auge behalten und alle fünfzehn Minuten Puls, Blutdruck und Atmung überprüfen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns noch keine großen Sorgen gemacht.«
»Aber sein Zustand hat sich verschlechtert?«
»Rapide. Es haben sich massive Gewebeschwellungen gezeigt, nicht nur im Bereich
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