Schlangenhaus - Thriller
ist diejenige, die völlig fertig ist. Schreckhaft wie ein Hase. Lässt Sophia nicht aus den Augen.«
»Kann ich ihr nicht verdenken«, bemerkte der Mann, der sich mit Sally unterhalten hatte. »Linda wäre genauso. Kann die Biester nicht ausstehen.«
»Ja, na ja«, sagte der Mann mit dem weißen Haar, »es wird spät. Vielleicht können wir Miss Benning ja erklären …«
»Natürlich, schieß los, Phillip.«
»Miss Benning – Clara, nicht wahr? –, die Leute machen sich Sorgen. Wir haben alle von John Allington gehört… schreckliche Geschichte … und nach dieser Sache heute Morgen … also, Gott sei Dank, dass Sie da waren …«
»Es war kein Problem, wirklich nicht«, beteuerte ich, weil sie anscheinend erwarteten, dass ich irgendetwas erwiderte. »Ich habe John Allington nicht gekannt, aber es tut mir sehr leid …« Ich fühlte, wie sich meine Hand fester um die Tasche schloss, die ich bei mir trug. Die Schlange, die John Allington getötet hatte, war näher, als ihnen bewusst war.
»Ja, ja … die Sache ist die, Clara, ich habe mit der Polizei gesprochen, aber die sagen, dafür sind sie nicht zuständig. Deshalb
wollen wir uns heute Abend alle zusammensetzen und schauen, was wir unternehmen können. Gemeinsam fällt uns schon was ein.«
»Wir würden uns wirklich freuen, wenn Sie auch kommen könnten«, ließ sich Daniel vernehmen. »In zehn Minuten. Bei Clive Ventry. In dem alten Gutshaus.«
Ich öffnete den Mund, um zu erklären, dass meine Mutter gestorben sei, dass ich telefonieren müsse, dass ich heute Abend wirklich nicht mit einem Haufen Wildfremder zusammen sein wolle, und was sie – ganz ehrlich! – eigentlich dachten, gegen die plötzliche Zunahme der Schlangenpopulation unternehmen zu wollen? Aber die passenden Worte wollten mir nicht einfallen.
»Ich gehe mit Ihnen«, erbot sich Gemeindeschwester Sally, als wäre ich nicht in der Lage, ohne Hilfe den Weg zu dem großen Haus zu finden.
»Danke, aber ich muss erst ein paar Anrufe erledigen. Ich komme, sobald ich kann.« Ich quetschte mich an ihnen vorbei und schloss meine Haustür auf. Sie sahen mich noch immer an, öffneten noch immer die Münder, um auf mich einzureden, als ich die Tür zumachte und sie ausschloss.
Ich hatte gar nicht gewusst, dass an meinem Anrufbeantworter so viele Lichter waren oder dass sie derart fordernd blinken konnten. Ich drückte auf die Abspieltaste und ging in die Küche, wobei ich mich fragte, ob wohl genug Zeit war, Tee zu kochen und zu trinken, ob ich irgendetwas hatte, was ich rasch essen konnte.
»Hallo, Clarey, hier ist Dad. Ruf mich an, wenn du kannst.«
Ich öffnete den Kühlschrank und fand eine Flasche Mineralwasser. Mit einem Glas gab ich mich gar nicht erst ab. Trank einfach nur, als wäre ich gerade nach einem Monat aus der Wüste zurückgekehrt.
»Clara, hier ist Vanessa. Ich hab’s bei dir auf der Arbeit versucht, aber die haben irgendwas von einem Notfall gesagt.
Bestimmt bist du trotzdem bald zu Hause. Ruf mich an, wenn du nach Hause kommst.«
Ich betrachtete das, was an Lebensmitteln im Kühlschrank war: Salat, Obst, kaltes Huhn, Hüttenkäse. Worauf ich Lust hatte, waren Fish & Chips, je fettiger, desto besser, oder ein Cheeseburger oder Fertigpizza, die vor Mozzarella und billiger Salami nur so troff. Sollte sich meine Trauer am Ende auf diese Weise manifestieren? In einer beispiellosen Gier nach Junkfood?
»Hier ist noch mal Vanessa. Auf deinem Handy erreiche ich dich irgendwie auch nicht. Es wäre wirklich nett, wenn du anrufst, Clara.«
»Oh, Miss Benning, hier ist Lynsey Huston. Ich wollte nur sagen, dass es Sophia gut geht. Wir sind vor ungefähr einer halben Stunde aus dem Krankenhaus entlassen worden und gerade nach Hause gekommen. Vielen, vielen Dank für alles, was Sie …« Lynsey plapperte weiter, bis der Anrufbeantworter sie abwürgte.
»Ich bin’s wieder, Liebling, Dad. Ich versuch’s später noch mal. Ich hoffe, bei dir ist alles in Ordnung.«
»Clara, das ist mal wieder so was von typisch. Hast du eigentlich eine Ahnung, was hier alles zu erledigen ist? Und wozu hat man eigentlich ein Handy, wenn man nie rangeht? Wenn du es einmal im Leben über dich bringen kannst, an jemand anderes zu denken als an dich, könntest du mich dann bitte anrufen? Wenn es, verdammt noch mal, nicht zu viele Umstände macht!«
Zwanzig Minuten später machte ich mich wieder auf den Weg. Ich war bereits spät dran für das Treffen. Trotzdem konnte ich mich nicht überwinden,
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